Alles Gute zum Geburtstag wünsche ich der Kulturwertmark, die vor genau einem Jahr vom Chaos Computer Club vorgestellt wurde. Doch wovon rede ich eigentlich? Holen wir ein wenig weiter aus…
Das Thema Urheberrecht ging in den letzten Tagen durch die Medien, nachdem Sven Regner sich über eine von ihm wahrgenommene Kostenloskultur beschwert hatte. Im Internet würde sich praktisch jeder ohne zu Zahlen bedienen. Vertreter der Medienindustrie sprangen auf den Zug auf und vertraten deutlich die Ansicht, dass nur das bestehende Urheberrecht – oder gar seine Verschärfung – dafür sorgen könne, dass künftig noch Schaffensanreize für Künstler beständen. Dass dafür eigentlich nur durch eine tiefgehende Überwachung aller Kommunikationsdaten im Internet möglich wäre, nähmen sie wohl in Kauf.
Genau diesen massiven Eingriff möchte die Piratenpartei verhindern, die deshalb auch oft als Gegenpol herangezogen wird. Sie möchte das entkriminalisieren, was in den Augen vieler Bürger ganz normal ist, das Kopieren von Daten. Gleichzeitig sollen aber Künstler gestärkt werden. Sie sollen auch weiterhin Geld verdienen können, idealerweise sogar mehr als bisher. Das bedeutet eben nicht, dass das Urheberrecht abgeschafft werden soll, wie häufig behauptet, wohl aber spürbar verändert. In meinen Augen machen es sich einige Vertreter der Piraten aber zu einfach, wenn sie das Argument ins Feld führen, Künstler und Verwerter müssten halt passende Geschäftsmodelle entwickeln oder hätten Pech gehabt. Ich stimme grundsätzlich zu, dass auch das unbedingt geschehen muss und Unternehmen sich wandeln müssen. „Neither individuals nor corporations have any right to come into court and ask that the clock of history be stopped, or turned back. “ (Robert Heinlein) Aber wenn ich dem Argument folge, müsste ich irgendwann auch fragen, ob nicht auch Steuergelder gestrichen werden müssten, etwa für Museen oder Theater. Warum sollten sie sich nicht auch überlegen, wie sie mit ihrem Angebot ausreichend Geld verdienen können. Vieleicht, weil sie Kultur und Kunst bieten? Wer entscheidet dann, wann ein Buch oder Musikstück Kunst oder Kommerz ist? Möglicherweise lässt sich dennoch eine Lösung finden, die beiden Seiten etwas abverlangt, aber auch beiden entgegen kommt.
Die Grünen diskutieren beispielsweise eine Kulturflatrate. Jeder Bürger könnte einen bestimmten Betrag pro Jahr zahlen und dürfte nach Belieben privat Musik, Videos und Bücher aus dem Internet konsumieren und mit anderen tauschen. Im Gegenzug würden Künstler aus dem eingesammelten Geld bezahlt. Der Pferdefuß an diesem Modell aber wäre: Wer bekommt welchen Anteil vom Kuchen? Es liefe vermutlich auf eine zentral organisierte Behörde wie die GEMA hinaus, die das nach einem wie auch immer gearteten, komplizierten Verteilungsschlüssel berechnet, der dann aber auch nicht gerecht wäre. Das deutsche Steuersystem lässt grüßen.
Nach diesem Vorgeplänkel kommen wir endlich zum Konzept der Kulturwertmark, das marktliche Elemente enthält und eventuell mehr Transparenz zu bieten hat. Das Wesentliche in Kurzform:
Jeder Teilnehmer am Kulturwertmarksystem zahlt monatlich einen bestimmten Betrag in einen Pool und erhält dafür eine bestimmte Menge Kulturwertmark. Ähnlich dem Micropayment-Dienst Flattr kann er diese nun nach Belieben auf Kreative oder Werke verteilen und drückt damit seine Wertschätzung aus. Die Künstler erhalten einerseits zum Ablauf des Monats den ihnen zugewiesenen Wert in Euro, andererseits zusätzlich Anteile der Kulturwertmark, die von den Konsumenten nicht verteilt worden sind. Nach einem festzulegenden Zeitraum (zumindest theoretisch auch 0 Jahre) und/oder einem festzulegenden Betrag, der verteilt werden muss, werden die Werke automatisch unter eine freie Lizenz gestellt (etwa Creative Commons-Lizenzen) und können dementsprechend verwendet werden. Zusätzliche Einnahmequellen, etwa durch Mäzentum, Crowdfunding, usw. bleiben davon unbenommen; Verwerter können Kreativen auch weiterhin Dienstleistungen anbieten, wenn sie ein passendes Programm haben. Es schadet zum Vorbeugen von Missverständnissen nicht, sich die Details anzuschauen…
Auch hier gibt es noch Schwachstellen und ungeklärte Fragen. Einige wurden erst kürzlich online diskutiert, andere sind noch offen. Die in meinen Augen kritischste wäre der Zwang zur Zahlung eines monatlichen Betrages unabhängig vom tatsächlichen Konsum, aber das wäre ein anderer Blogbeitrag – und außerdem wird wohl gerade an Version 2 gearbeitet, die demnächst vorgestellt werden könnte.
Mich würde interessieren, was Kreative vom Konzept der Kulturwertmark halten – ich würde mich daher sehr über Kommentare freuen!