In den Medien wird man gerade gefühlt jeden zweiten Tag mit dem Urheberrecht konfrontiert: Da ruft auf der einen Seite jemand nach mehr Schutz des „geistigen Eigentums“, kurze Zeit später schallt aus aus der anderen Richtung zurück, ob man denn noch bei Trost sei. Die einen sehen nicht ein, warum sich für sie etwas ändern sollte, die anderen halten dagegen, Kunst müsse frei zugänglich sein – und hier ist dann wirklich mal kostenfrei gemeint. „Todesstrafe für illegale Downloads“ – „Waaas? Alles für alle, und zwar für umme!“ – „Jehova!“ – „Penis!“ – … Und so geht das munter weiter, ohne dass die eine Seite wirklich versucht zu verstehen, was die andere antreibt. Zumindest ich nehme bloß wahr, dass sich in der Öffentlichkeit zwei Fronten aneinander abarbeiten, Truppen um sich scharen und verbal aufeinander einschlagen. Ein TV-Gladiatoren-Polar-Talk auf gesellschaftlicher Ebene, angeheizt von Lanz-esker Medienbegleitung.
Auf der gesellschaftlichen Ebene finde ich das Thema aber durchaus gut aufgehoben, denn mittlerweile kann man im Internet nie sicher sein, nicht irgendwie das Urheberrecht von jemandem zu verletzen. Im Bildungsbereich sind die Einschränkungen erheblich und führten beispielsweise zu Ideen wie der des jüngst beerdigten Schultrojaners. Obendrein sind etwa die in § 52a des Urheberrechtsgesetzes überhaupt gemachten Zugeständnisse an Unterricht und Forschung lediglich befristet gültig und müssen demnächst wieder verlängert werden.
Was wäre denn zu tun? Für eine fällige Maßnahme halte ich etwa eine Entschärfung des Abmahnunwesens, das erstaunliche Streitwerte für Musikstücke ansetzen kann. Eine pauschale Totalüberwachung aller Bürger, um „Gute“ von „Bösen“ unterscheiden zu können, hielte ich für einen viel zu großen Eingriff in Freiheitsrechte. Auch bin ich der Ansicht, Unternehmen sollten sich mit neuen Geschäfts- und Vergütungsmodellen anfreunden. Statt sich mit aller Macht gegen den Wandel zu stemmen, sollten sie ihn lieber als Chance begreifen:
„The overwhelming majority of successful innovations exploit change.“
(Peter F. Drucker, Management-Vordenker)
Eine Verkürzung von Schutzfristen halte ich ebenfalls für sinnvoll. Und das alles übrigens, obwohl ich zu Hause diverse Regalmeter voll mit Büchern, CDs und Blu-rays stehen habe und für Downloads tatsächlich bezahle.
Andererseits halte ich es nicht für geboten, das bestehende System von jetzt auf gleich auf den Kopf zu stellen. Autoren, Musiker und Co. erbringen offenbar eine nachgefragte Leistung, und ich kann erst einmal nichts Verwerfliches darin sehen, auch angemessen vergütet werden zu wollen. Wenn nun jemand meint, das seien aber keine Künstler mehr, sondern nur Kommerzproduzenten, na, sei es drum. Ich finde es gut, die Position gerade von unbekannteren Kreativen stärken zu wollen, aber es kann mir niemand erzählen, dass alle Verlage und Musiklabels nur von raffgierigen Ausbeutern geleitet werden und keine sinnvolle Funktion erfüllen.
Dass „sogar“ die Piratenpartei dazu eine differenzierte Meinung vertritt, kann eigentlich jeder nachlesen – in einem waschechten Bundesparteitagsbeschluss. Um das zu erkennen, genügt schon die Lektüre der ersten Seiten. Ich bin mir allerdings nicht einmal sicher, ob die Mehrheit der Piraten da irgendwann reingeschaut hat.
Der in dem Papier gemachte Vorschlag muss gar nicht der Weisheit letzter Schluss sein, ich selbst finde auch die Idee der Kulturwertmark ganz charmant. Und es gibt bestimmt noch ganz viele andere Ansätze und lasse mich von klügeren Gedanken überzeugen – aber bitte in einem ehrlichen gemeinschaftlichen Diskurs, nicht durch einen Stellungskrieg. Wollen wir das alle mal probieren?