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#H5P sorgt nicht für offene Bildung. Aber …

In den vergangenen Tagen wurde an verschiedenen Stellen das Thema „zeitgemäße Bildung“ angeschnitten. Dejan Mihajlović hat dazu einen schönen Blogbeitrag geschrieben, und ein Gespräch zwischen Jöran Muuß-Merholz und ihm empfehle ich ebenfalls ausdrücklich. In beiden fällt der Begriff der Toolifizierung, und Axel Krommer bezieht diesen direkt auf die Software H5P, an der ich in meiner Freizeit mitwirke.

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Der Twitter-Thread drumherum führte zu einem Blogbeitrag von Matthias Andrasch, in dem er sich mit dem Unterschied zwischen Offenheit in Technik und Didaktik beschäftigt. An dieser Stelle steige ich ein und starte mit einer Feststellung, die eventuell einige aus meinem Munde überrascht (oder auch nicht):

H5P sorgt nicht für offene Bildung.

Zumindest nicht von allein. Mehr noch: Vielleicht behindert die Software sie momentan sogar! Aber gehen wir einen Schritt zurück.

Was ist die Vision der Firma Joubel hinter H5P? Es geht darum, das Erstellen, Teilen und Remixen von interaktiven Inhalten so einfach wie möglich zu machen. Das soll beispielsweise über technische Offenheit erreicht werden. Das heißt konkret etwa, dass bewusst proprietäre Standards außen vor sind, um die Arbeit mit den Inhalten so offen wie möglich zu gestalten. Das passt ganz hervorragend zu Open Educational Resources. Aber um es ausdrücklich festzuhalten: Im Fokus steht der Inhalt. Er kann interaktiv sein, er kann für sich genommen auch didaktisch hervorragend gestaltet sein, und er kann auch offen weitergegeben werden — trotzdem bleibt es Inhalt. Der ist nicht irrelevant, und wenn er offen verfügbar gemacht wird, ist das super. Er kann dann Menschen beim Lernen und Lehren helfen. Der Inhalt bleibt allerdings nur eine einzelne Zutat von offener/zeitgemäßer Bildung.

Und wieso sollte H5P offene Bildung sogar behindern? Die interaktive Form verknüpft Inhalt und bestimmte didaktische Ansätze, deren Repertoire aktuell recht begrenzt ist und sich vornehmlich im behavioristischen Spektrum bewegt. Interaktion mit anderen Lernenden beispielsweise ist derzeit nicht möglich. Die Möglichkeiten zum Produzieren statt bloß zu Konsumieren/Reproduzieren sind begrenzt. Wie ein Autorenwerkzeug für Inhalte überhaupt das Reflektieren unterstützen kann, bin ich nicht sicher. Das alles ist erst einmal aber nicht tragisch. H5P ist schließlich ein Werkzeug, und man sollte es dann auswählen, wenn es sinnvoll ist. Die Inhalte sollten schließlich auch noch in einem didaktischen Szenario eingebettet sein.

H5P ist aber auch sehr verlockend. Inhalte sind einfach erstellt, schnell geteilt, und sehen auch noch recht ansehnlich aus. Das kann womöglich dazu führen, dass die Software über Gebühr auch dann eingesetzt wird, wenn ihr Einsatz gar nicht angebracht ist. Hier verstehe ich das Argument der Toolifizierung sehr gut — auch wenn das nicht unmittelbar H5P anzulasten ist und ich diesen Vorwurf auch nicht herausgehört habe.

Warum engagierst du dich dann so für H5P?

Die Offenheit hört bei H5P bei der Technik längst nicht auf, sondern erstreckt sich auch über fast den gesamten Entwicklungsprozess und darüber hinaus. Ich greife abschließend zwei davon heraus.

Der Quelltext von H5P liegt komplett offen, und jede/r kann ihn frei nutzen, verändern und erweitern. Open-Source-Software halt. Wer mag, kann eigene Inhaltstypen erstellen, denen ein konstruktivistisch(er?)es Verständnis von Lernen zugrunde liegt. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, wie sehr sich die Leute bei Joubel über solche Beiträge freuen. Wenn ich dann noch sehe, dass Lehrende meine Bausteinchen gerne benutzen und ich etwas bewegen kann …

Man muss aber kein Programmierer sein, um H5P in diese Richtung zu öffnen. Es gibt ein Forum, in dem Diskussionen um die künftige Entwicklung gern gesehen sind. Die Leute von Joubel beteiligen sich auch daran und greifen gerne Ideen auf. Sie selbst sind offen und freuen sich über kritische Anregungen. Es steckt zwar eine Firma dahinter, aber letztlich ist H5P ein Gemeinschaftsprojekt, an dem man sich beteiligen kann.

Diese Chance wird noch viel zu wenig genutzt. Ich bekomme zwar mit, dass einige Personen beispielsweise in geschlossenen Foren diesen oder jenen Aspekt beklagen, aber sich dann auch mit Einladung nicht dazu aufraffen, ihre Ideen an der dafür vorgesehenen Stelle einzubringen — etwa zum Thema Kooperation/Kollaboration in H5P. Das ist schade. Ich denke allerdings, dass es künftig noch weitere Wege geben wird, um sich einzubringen und über die Richtung mitzuentscheiden, die H5P einschlagen soll. Damit führt die Software noch immer nicht zu zeitgemäßerer Bildung. Das ist auch nicht ihr Anspruch. Sie kann aber vielleicht ein paar nützliche Bausteine dazu beitragen.

Habt den Mut, euch dieser Möglichkeit zu bedienen!

„Dass wirklich so meine beste Idee dann einfach kopiert wird und ich gar nichts davon habe.“

Vor einer gefühlten Ewigkeit (2013) fand in Potsdam die Veranstaltung Junges Forum Medien und Hochschulentwicklung statt. Zwei damalige KollegInnen und ich stellten dort einige der Problemchen vor, mit denen wir zu kämpfen hatten, um Lehrende zum Führen eines Portfolios zu bewegen und sie dabei zu begleiten. Vor ein paar Tagen ist nun der zugehörige Sammelband mit unserem schriftlichen Beitrag erschienen, den es auch kostenlos online zu lesen gibt.

Für den Artikel hatten wir im Vorfeld Interviews mit Lehrenden geführt. Als eines der Problemfelder hatte sich dabei das Thema Öffentlichkeit herausgestellt, auf das wir besonders eingegangen sind. Insbesondere die eingebundenen Zitate der Lehrenden dazu dürften interessant sein.

„Dass wirklich so meine beste Idee dann einfach kopiert wird und ich gar nichts davon habe.“

Die Öffentlichkeit allein ist (natürlich) nicht das einzige Hemmnis, zumal es den Lehrenden freisteht, einzelne Artefakte ihres Portfolios teil- oder auch komplett nicht-öffentlich zu nutzen. Aspekte wie Organisationskultur, Aufwand-Nutzen-Verhältnis, Schreiben und Partizipation sowie Technik und Rechtsfragen spielen aber auch eine Rolle. Mehr dazu könnt ihr auf der Lehrportfolio-Plattform von teach4TU nachlesen — oder im gerade erschienenen Beitrag.


Beuße, Mareike; Czerwionka, Thomas; Tacke, Oliver (2016): „Also es gibt auf jeden Fall Sachen, die ich nur bei mir lassen würde.“ – Herausforderungen der öffentlichen Lehrportfolionutzung an der TU Braunschweig, in: Aßmann, Sandra; Bettinger, Patrick; Bücker, Diana et al. (Hrsg.): Lern- und Bildungsprozesse gestalten Junges Forum Medien und Hochschulentwicklung (JFMH13), Münster, S. 217-226.