Diese Frage kennt sicherlich jeder Doktorand: „Und, was macht die Diss?“ Ich bin allerdings noch nie gefragt worden: „Hey, wie läuft dein Seminar?“ oder „Läuft die Lehre gut?“. Für Außenstehende scheint eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter offenbar wesentlich dafür gedacht zu sein, seine Doktorarbeit zu schreiben und das möglichst schnell. Der Job umfasst allerdings typischerweise zunächst einmal die Unterstützung von Forschung und Lehre, und es wird allenfalls in einem bestimmten Umfang Zeit dafür eingeräumt, an seiner Dissertation zu arbeiten.
Diese Fehlannahme finde ich zunächst einmal nicht verwunderlich und sehe meine These weiter bestätigt, dass die Öffentlichkeit viel zu wenig darüber weiß, was im Wissenschaftsbetrieb geschieht. Wie sieht es aber drinnen aus? Wie sehen die Leute in den Hochschulen ihre Stellen? Nehmen wir einfach ein Gespräch mit einem anderen Doktoranden, dass ich diese Woche geführt habe und welches das fehlende Tröpfchen war, um mein Blogbeitragverfassen-Fässchen zum Überlaufen zu bringen.
Nachdem ziemlich deutlich wurde, dass in die Lehre möglichst wenig Zeit gesteckt werden sollte, fragte ich sehr direkt, warum derjenige denn an der Uni sei. Antwort: „Weil ich den Doktor haben will.“ Ehrlich, aber in meinen Augen eine traurige Antwort. Weder, „weil mir Frage XY unter den Nägeln brennt und ich nach Antworten forschen will“, noch etwas wie „weil ich den Sinn von Erkenntnissuche vermitteln will“. Es geht offenbar bloß darum, selbst voranzukommen, die sogenannte Karriere voranzutreiben. Was außerhalb der eigenen Büromauern geschieht, interessiert nur am Rande. Derselbe Doktorand meinte auch, Studierende würden bloß möglichst schnell möglichst einfach durchs Studium kommen wollen, sich aber nicht für echtes Lernen interessieren. Abgesehen davon, dass es solche Studierenden auch gibt, scheint er möglichst schnell möglichst einfach seine Promotion abschließen zu wollen, sich aber nicht für gute Lehre zu interessieren. Es geht lediglich darum, ohne störende Ablenkung die Doktorurkunde einzusammeln – und dann nichts wie weg. So kommt der Geist der Hochschulwelt bei mir an und nicht das, was in Hochglanzprospekten steht oder fassadenhaft aufgebaute Leitbilder weismachen wollen. Den schönen Schein nach außen zu wahren zählt oft mehr als tatsächlich hinter etwas zu stehen.
Bausche ich das alles auf? Einzelfall? Schauen wir doch einfach mal weiter. Ich mache mich jetzt sicher ziemlich unbeliebt und wirke wie der Oberlehrer oder Moralapostel schlechthin. Ich schildere aber schlicht meine Wahrnehmung und eine Darstellung dessen, was dadurch in mir ausgelöst wird.
Es gibt an der TU Braunschweig das schöne Projekt Sag’s Uns, eine öffentlich zugängliche Online-Plattform, auf der Studierende Ideen, Lob und Probleme zum gesamten Unileben loswerden können, auf der jeder mitdiskutieren und gemeinsam mit anderen Lösungsvorschläge entwickeln kann. Könnte ein prima Instrument sein, um gegenseitiges Verständnis aller Beteiligten am Unileben zu fördern statt weiter Stellungskriege zu führen („Professoren wollen uns doch nur rausprüfen“, „Studierende sind dumm und faul“, „Die in der Verwaltung bekommen nichts gebacken“, …). Es passiert bei Sag’s Uns aber gar nicht so viel. Studierende benennen Probleme aus ihrer Sicht, kaum jemand außer der Betreiber der Plattform scheint ihnen zuzuhören – geschweige denn mitzudiskutieren. Klar, dass sie gefrustet sind und keine Lust mehr haben, sich einzubringen. Eine eigentlich großartige Chance für die Hochschulentwicklung wird nicht genutzt.
Wissenschaftliche Mitarbeiter wurden dann im Rahmen einer Forschungsarbeit befragt, um mögliche Ursachen für die geringe Beteiligung zu ermitteln: Unkenntnis der Plattform, Unsicherheit, … Yvonne, falls du das liest, soll ich dir meine persönliche Vermutung nennen? Es ist den meisten Doktoranden schlicht scheißegal. Warum sollten sie sich denn um die Uni kümmern? Arbeiten am System? Dafür fühlen sie sich nicht zuständig. Kostet bloß Zeit bei der Promotion, und wenn die vorüber ist, ergreifen doch die meisten gleich wieder die Flucht. „Nach mir die Sintflut.“ Das ist wohl im Sinn der Direkt-Karriere das beste Vorgehen, ich finde es jedoch traurig.
Anderes Beispiel gefällig? Als die Geschichte um das Guttenbergsche Plagiat gerade losging und der Präsident der TU Braunschweig zunächst in der Presse relativierte, bei über 700 Fußnoten seien 14 falsche Zitationen keine sehr hohe Fehlerquote und solch unsauberes Arbeiten sei ein Einzelfall, wurde in der hiesigen Fakultät 1 in Windeseile ein Schreiben an ihn verfasst. Er möge bitte das klares Signal aussenden, dass Plagiate in der Wissenschaft mehr sind als eine kleine Schummelei. Von den Informatikern wurden sehr schnell viele Unterschriften gesammelt – bei den Wirtschaftswissenschaftlern wurde wohl erst einmal diskutiert, ob es denn opportun wäre, sich daran zu beteiligen…
Es gäbe da noch mehr große und kleine Dinge, aber die betreffen dann die Professorenschaft und das ist eine andere Geschichte – eine weitaus längere und gruseligere.
Ich weiß, dass die Situation nicht überall so aussieht. Ich kenne auch sehr engagierte Leute in Rufreichweite, die auch mal links und rechts des Weges schauen. Ich bin mir bewusst, dass wissenschaftliche Mitarbeiter nicht Zeit ohne Ende für alles haben. Und ich weiß vor allem, dass auch ich meine Fehler habe und mir gar kein Urteil zusteht. Ich kann aber sehr wohl festhalten, dass ich mir unter der Arbeit in der Wissenschaftswelt etwas deutlich anderes vorgestellt habe, dass ich enttäuscht bin ich und mich überaus unwohl fühle. Vielleicht bin auch einfach ich das Problem und falsch für so eine Stelle? So oder so: Gut, dass ich hier bald verschwunden bin.
Ach so, und was die Diss macht? Schauen wir mal, ich muss mich auch noch um andere Dinge kümmern.
Aktualisierung am 24.04.2012 Unverhofft kommt oft – gerade heute wurde ich dann doch positiv überrascht.
It’s time to move on, time to get going What lies ahead, I have no way of knowing But under my feet, bad grass is growing It’s time to move on, it’s time to get going (Tom Petty)
Diesen Beitrag zu schreiben, erweist sich irgendwie als schwierig; zumindest habe ich schon zwei vorherige Versionen komplett verworfen.
Ich mache es nun einfach kurz und schmerzlos. Ihr könnt ja in den Kommentaren nachfragen, wenn ihr nähere Informationen haben wollt. Ich habe am vergangenen Freitag (endlich) gekündigt und arbeite ab Juli am Kompetenzzentrum Hochschuldidaktik für Niedersachsen.
Am Mittwoch vor der Openmind-Konferenz erreicht mich abends eine E-Mail: Die Website telepolis habe angeboten, eine Auswahl der Vorträge in schriftlicher Form zu veröffentlichen. Man brauche die Beiträge aber am besten schon bis Freitag. Was habe ich getan? Nachtschicht. Müde, aber rechtzeitig fertig. Was passiert? Es genügt dann doch eine Abgabe bis Dienstag nach der Konferenz. Was passiert anschließend? Heute erscheint eine Auswahl der Beiträge, telepolis hat meinen aber leider verschmäht. Was heißt das? Ich habe wieder Inhalt für mein Blog und betreibe so etwas wie Restmüll-Marketing ;-)
UPDATE: Der Artikel hat es nun doch noch auf telepolis geschafft. UPDATE: Der Artikel ist inzwischen nicht mehr auf telepolis verfügbar.
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„Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1.200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen.“ [1]
So antwortete der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Frage, ob Teile seiner Dissertation womöglich aus anderen Werken abgeschrieben worden sein könnten, ohne dass er dies ausreichend kenntlich gemacht hatte. Schnell wurde von vielen Kritikern sein Rücktritt gefordert, ebenso viele Menschen konnten aber den Wirbel um die Affäre nicht verstehen: Herr zu Guttenberg hatte ein wenig gemogelt, aber macht das nicht jeder mal? Offenbar war vielen die Bedeutung dieses Vergehens gar nicht bewusst. Ich meine, das liegt daran, dass der Wissenschaftsbetrieb für viele schlicht ein Buch mit sieben Siegeln ist, das sie nicht öffnen können.
Und tatsächlich, das Bild von der einsamen Forschung im Elfenbeinturm scheint nicht von ungefähr zu kommen. Einerseits hat die zunehmende Spezialisierung der wissenschaftlichen Disziplinen zwar dazu geführt, dass Einzelgänger es schwer haben und Ergebnisse immer häufiger nur durch Kooperation mit anderen erzielt werden können [2]. Denken Sie etwa an die großen Projekte am Kernforschungszentrum CERN. Andererseits bleiben die unzähligen Publikationen für die meisten unverständlich, bisweilen sogar für Fachkollegen, weil jenseits von notwendigen Fachbegriffen ein möglichst staubtrockener Sprachstil und möglichst kompliziert formulierte Sätze gepflegt werden. Sie taugen vielleicht zum Imponieren oder verheißen vermeintlich Qualität, erschweren aber unnötig das Verständnis. Das wusste schon Goethe: „Die Deutschen, und sie nicht allein, besitzen die Gabe, die Wissenschaften unzugänglich zu machen.“ [3] Auch Initiativen zur Förderung von Open Access dürften daran wenig ändern. Forschungsergebnisse werden durch sie zwar öffentlich zugänglich, aber nicht offen.
Popularisierung der Wissenschaft
Um den klaffenden Graben zwischen der Wissenschaftswelt und der Allgemeinheit zu verkleinern, wurde bereits im 19. Jahrhundert versucht, Spezialwissen einem größeren Publikum zugänglich zu machen: Schon damals wurden Anleitungsbücher für Hobbyforscher verfasst oder im Wissenschaftlichen Theater Lehrstücke inszeniert [4]. Was einst als Mittel der Bildung der Massen gedacht war, ruft heute jedoch eher ein Naserümpfen hervor. Populärwissenschaftliche Literatur genießt bei vielen Wissenschaftlern den Ruf des Zweitklassigen, des weniger Korrekten. Der Physiker Martin Bojowald sah sich offenbar aus diesem Grund dazu gezwungen, sich im Vorwort seines Buches „Zurück vor den Urknall“ dafür zu rechtfertigen, dass er nicht bloß für Fachkollegen geschrieben hatte [5]. Auch normale Menschen sollten das Universum und seine Theorien verstehen.
Aber hätte er das nicht Wissenschaftsjournalisten überlassen sollen, die speziell dafür ausgebildet worden sind? Sie sind schließlich geübt darin, aus den Erkenntnissen verschiedener Forscher eine stimmige Geschichte zusammenstellen und sie gleichzeitig informativ und unterhaltsam aufbereiten. Es gibt dafür heute ganz unterschiedliche Formate: Zeitschriften wie Spektrum der Wissenschaft, Fernsehsendungen wie Quarks und Co., Science Centers wie das Mathematikum in Gießen, Kinderuniversitäten und vieles mehr. Das ist schon so etwas, was man Öffentliche Wissenschaft (oder Open Science) nennen könnte. Auf diesem Wege kann nämlich schon das Verständnis für das dargebotene Wissen vergrößert werden, aber leider noch nicht für die Wissenschaft selbst oder gar die Menschen dahinter.
Verstehen Sie, was ich damit meine? Es werden zwar die Forschungsergebnisse mundgerecht präsentiert, aber die Prozesse, die zu diesen Ergebnissen führen, bleiben im Dunkeln. Außenstehende bekommen ein Produkt geliefert, können aber nicht nachvollziehen, wie es entstanden ist und welche Gedanken bei der Erstellung verfolgt und verworfen wurden. Sie sehen vor allem nicht, welche Probleme es auf dem Weg zu lösen gab, welche Fehler gemacht und welche Lehren aus ihnen gezogen wurden. Auch solche Dinge gehören zur Wissenschaft. Wenn man die weglässt, entsteht ein völlig falsches Bild. Und dann wundert man sich, wieso die Menschen nicht verstehen, was Herr zu Guttenberg so Schlimmes getan hat.
Von 1.0 zu 2.0
Nun gibt uns aber speziell das Internet die Möglichkeit an die Hand, dagegen etwas zu tun. Wir bekommen nämlich einen Rückkanal, und der ändert eine ganze Menge. Im einfachsten Fall können Wissenschaftler etwa in Blogs über Themen aus ihrem Fachgebiet berichten und Fragen von Interessierten dazu beantworten. Es wird ein zügiger direkter Austausch möglich, doch damit ist das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Da ist noch Luft.
In der Wikipedia können wir nicht nur Texte lesen, sondern auch selbst mitschreiben. Auf YouTube können wir nicht nur Filme anschauen, sondern auch eigene einstellen und kommentieren. Die Unterscheidung zwischen Produzenten und Konsumenten von Inhalten weicht auf. Doch bevor wir die Bedeutung für die Wissenschaft weiter beleuchten, betrachten wir zunächst einige Beispiele.
Der Heidelberger Professor Christian Spannagel hielt – damals noch in Ludwigsburg – im Wintersemester 2008/2009 ein Seminar ab, das sich um die Didaktik der Informatik drehte [6]. Die Studierenden diskutierten in einem öffentlichen Wiki eine spezielle Theorie, Spannagel berichtete darüber in seinem Blog und per Twitter. Daraufhin stießen mehrere Externe hinzu und beteiligten sich an der Diskussion. Darunter befand sich auch der Entwickler eines speziellen Lehrkonzepts, das man kurzerhand vor Ort in einer seiner Schulklassen begutachtete. Ein Referendar wurde auf den Kurs aufmerksam, erprobte das Konzept und berichtete davon den Studierenden, die darauf aufbauen konnten und selbst Unterrichtseinheiten entwickelten. Ob das in dieser Form wohl ohne eine Öffnung des Seminars möglich gewesen wäre?
Auf wissenschaftlichen Konferenzen ist es möglich, das aktuelle Geschehen per Video-Stream ins Internet zu stellen und gleichzeitig per Twitter die Gedanken der Teilnehmer dazu zu lesen. Mehr als die Festlegung eines eindeutigen Hashtag braucht man dafür nicht. Und natürlich können auch Zuschauer rund um den Globus Kommentare beisteuern oder Fragen an den Vortragenden richten, die dieser wiederum auf einer Twitterwall sehen und bei Gelegenheit beantworten kann. Das nenne ich mal „mittendrin statt nur dabei“.
Und auch die ganz normale Forschung kann öffentlich gestaltet werden. Meine ersten Ideen halte ich oft in einem Wiki fest und bitte per Twitter oder Blogbeitrag um Anregungen dazu. Sie möchten ein Beispiel? Schauen Sie doch einmal unter http://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:O.tacke/Zeitschrift_fuer_E-Learning-2011 nach. Da kamen viele gute Anregungen zusammen, auch wenn der Beitrag nachher abgelehnt wurde. Gerade diese Rückmeldungen können zeigen, wo noch Schwierigkeiten bestehen oder Dinge offen geblieben sind. Auch der Meeresforscher Stefan Rahmstorf berichtet davon, durch Fragen der Leser seines Blogs schon auf neue Anregungen gekommen zu sein [7]. Sie können sich das allerdings über den ganzen Forschungsprozess denken. Das muss nicht bei der Ideensammlung stehenbleiben, Sie können auch den ganzen Beitrag online mit anderen verfassen und Interessierte können zwischendurch etwas beisteuern – auch dazu werden Sie ganz aktuell etwas bei mir finden. Wenn ich schließlich fertig bin, könnte ich auch öffentlich darum bitten, den Text zu begutachten, bevor ich ihn bei einer Zeitschrift einreiche. All das funktioniert tatsächlich.
Und alle diese Beispiele würde ich mit Open Science 2.0 betiteln. Es geht nicht um das Präsentieren von fertigen Inhalten, sondern um das Erstellen, Prüfen, Verbessern dieser Inhalte durch Forscher, Praktiker und begeisterte Amateure. Wer an der Entwicklung von Wissen mitwirkt, versteht viel besser, was Wissenschaft eigentlich ausmacht und bedeutet. Andersherum bleiben Forscher vielleicht eher auf dem Boden der Tatsachen und erhalten so den Blick für das Ganze zurück, der bei ihrer Spezialisierung verloren gegangen sein könnte. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt ist jedenfalls der Ansicht, Wissenschaft sei „eine zur sozialen Verantwortung verpflichtete Erkenntnissuche“ und müsse sich um die großen Menschheitsprobleme wie Überbevölkerung, Klimawandel, Globalisierung der Ökonomie oder die weltweite militärische Hochrüstung kümmern [8]. Dabei ist die Kooperation Vieler gefragt, unabhängiger Experten ebenso wie betroffener Amateure.
Am Ziel? Jetzt wird es doch erst spannend!
Das klingt alles toll, oder? Aber vielleicht haben Sie sich oben an so mancher Stelle schon am Kopf gekratzt und gefragt, wie das denn alles gehen soll. Experten sollen mit Laien zusammen etwas entwickeln, ist das denn möglich? Die Frage stellen sich einige Unternehmen auch, wenn sie versuchen, Produkte und Dienstleistungen zusammen mit Lieferanten oder Kunden zu entwickeln. Betriebswirte nennen das Open Innovation, und da gibt es viele Ähnlichkeiten zur Open Science, die ich in einem anderen Artikel schon beschrieben habe [9].
Aber zurück zur Frage: Geht das denn? Es gibt manche, die auf die Theorie der sogenannten operational geschlossenen Systeme von Niklas Luhmann zurückgreifen und daraus folgern, da könne nichts Brauchbares für die Wissenschaft bei herauskommen – Wissenschaftler würden Praktiker nicht verstehen und andersherum [10]. Andere halten dagegen [11]. Das ist auch gar nicht so einfach zu beantworten, das ist alles ziemlich neu, und tatsächlich gibt es noch viele offene Fragen!
Ich bin jemand, der gerne gleich ausprobiert und manche Sachen klappen bisher gar nicht, andere schon ganz gut. Ich möchte mehr öffentliche Wissenschaft. Ich verstehe aber auch Einwände, die sich wie „Das geht nicht, weil!“ anhören. Die müssen gar nicht bedeuten, dass die Idee grundsätzlich abgelehnt wird, aber dass möglicherweise einige Vorschläge noch nicht wirklich ausgereift sind. Kategorische Nein-Sager wird es allerdings auch immer geben. Also werde ich mich hier auch nicht hinstellen und verkünden, genau so oder so müsste das gemacht werden. Ich habe nicht alle Antworten – nur ein paar. Daher stelle ich einfach einige Fragen zusammen, die mir diskussionswürdig erscheinen und lade Sie dazu ein, die Liste zu ergänzen und miteinander darüber zu diskutieren.
Fragen zur Diskussion
Gefährde ich als seriöser Wissenschaftler nicht meinen guten Ruf und meine Karriere, wenn ich öffentliche Wissenschaft betreibe?
Kann sich dann nicht jeder an meinen Ideen bedienen und mir damit etwas wegnehmen?
Wie bringe ich vielleicht fremde Leute dazu, zusammen mit mir oder Studierenden an einem Thema zu arbeiten? Will da überhaupt jemand mitmachen?
Frisst das nicht viel Zeit, die man besser anders nutzen sollte?
Wird der Wissenschaftsjournalismus überflüssig?
Welche technischen Instrumente eignen sich am besten für welche Phase der Forschung?
Welches Vorgehen eignet sich am besten für welche Phase der Forschung?
Was passiert, wenn Unternehmen an der Forschung beteiligt sind und Betriebsinterna berührt werden?
Können auch Unternehmen davon profitieren, indem Kooperation nicht nur mit Universitäten stattfinden, sondern zusätzlich mit anderen Interessierten?
Soll jetzt jeder dazu gedrängt werden, öffentliche Wissenschaft zu betreiben?
Welche Voraussetzungen müssen Wissenschaftler und andere Beteiligte dafür überhaupt mitbringen?
[2] Vgl. Gläser, Jochen; Lange, Stefan (2007): Wissenschaft, in: Arthur Benz et al. (Hrsg.): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, S. 437-451, hierzu speziell S. 447.
[3] Goethe, Johann Wolfgang von (1830): Goethe’s Werke: Vollständige Ausgabe letzter Hand. 22. Band: Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die entsagenden, 2. Buch, Stuttgart, Tübingen, S. 249.
[4] Vgl. Daum, Andreas W. (2006): Popularisierung von Wissenschaft im 19. Jahrhundert, in: Faulstich, Peter (Hrsg.): Öffentliche Wissenschaft, Bielefeld, S. 33-50.
[5] Vgl. Bojowald, Martin (2009): Zurück vor den Urknall, Frankfurt am Main, S. 9.
[6] Vgl. Spannagel, Christian; Schimpf, Florian (2009): Öffentliche Seminare im Web 2.0, in: Apostolopoulos, Nicolas et al. (Hrsg.): Lernen im Digitalen Zeitalter, Berlin, S. 13-20., hierzu speziell S. 17-18.
[9] Vgl. Tacke, Oliver (2010): Open Science 2.0: How Research and Education can benefit from Open Innovation and Web 2.0, in: Bastiaens, Theo J.; Baumöl, Ulrike; Krämer, Bernd J. (Hrsg.): On Collective Intelligence, Berlin, Heidelberg, S. 37-48.
[10] Vgl. zum Beispiel Kieser, Alfred; Leiner, Lars (2010): Kollaborative Managementforschung – Eine Brücke über den Rigor-Relevance Gap?, in: ZfB – Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Sonderausgabe Mixed Methods in der Managementforschung), 80. Jg., Nr. 5, S. 89-113.
[11] Vgl. exemplarisch Hodgkinson, Gerard P.; Rousseau, Denise M. (2009): Bridging the Rigour-Relevance Gap in Management Research: It’s Already Happening!, in: Journal of Management Studies, 46. Jg, Nr. 3, S. 534-546.