Am vergangenen Samstag habe ich mir die drei bisher verfügbaren Bücher über WikiLeaks aus dem deutschsprachigen Raum gekauft und nun gelesen. Dabei bin ich gewissermaßen „von innen nach außen“ vorgangen und rezensiere nun ganz kurz.
inside WikiLeaks
Den Anfang machte inside WikiLeaks von Daniel Domscheit-Berg. Der ehemalige Sprecher der Organisation, der im Herbst 2010 ausgestieg, berichtet darin von der aus seiner Sicht gefährlichsten Website der Welt. Seine Erzählung beginnt damit, wie er auf WikiLeaks aufmerksam wurde und in einem Chat seine Unterstützung anbot. Die wurde angenommen, er lernte Julian Assange kennen und wurde offenbar ein tragendes Mitglied. Im weiteren Verlauf berichtet Herr Domscheit-Berg einerseits davon, welche interessanten Erfahrungen er gemacht hat. Andererseits schildert er allerdings auch, wie sich WikiLeaks seiner Meinung nach immer mehr von den ursprünglich angestrebten Zielen und eigenen Prinzipien entfernte und er schließlich seinen Hut nahm und die Gruppe verließ.
Das Buch ist durchaus spannend, weil es Einblicke in die Organisation von WikiLeaks erlaubt und Einzelheiten ans Licht bringt, die bisher im Verborgenen lagen. So sei etwa die Größe der Organisation maßlos übertrieben worden und die IT-Infrastruktur zunächst ein Witz gewesen. Auch das vielschichtige Wesen von Julian Assange wird näher beleuchtet und es werden neue Details zutage gefördert. Der Gesamteindruck wird meiner Ansicht aber etwas getrübt durch die „Beziehungskiste“: Das Buch kommt mir zwar nicht wie eine Abrechnung mit einem ehemaligen Freund vor, aber irgendwie schlägt doch immer wieder so etwas wie ein vorwurfsvoller und unnötiger Jammerton durch, den man eher in einer Klatschzeitung vermutet hätte.
Staatsfeind WikiLeaks
Die SPIEGEL-Redakteure Marcel Rosenbach und Holger Stark schildern in ihrem Buch zunächst die Kindheit von Julian Assange und gehen auch auf die Hintergründe des Hackertums und der Cypherpunks ein. Erst danach widmen sie sich wirklich WikiLeaks und beschreiben die Entstehung der Organisation, wichtige Stationen und schließlich die politische und rechtliche Jagd auf Assange. Über diese Dokumentation hinaus diskutieren die beiden Redakteure beispielsweise Fragen nach höchstmöglicher Transparenz von Staaten oder die Rolle der Medien und des investigativen Journalismus.
Bei ihren Recherchen haben Rosenbach und Stark sich nicht nur auf schriftliche Quellen verlassen, sondern zusätzlich auch Interviews mit verschiedenen Beteiligten geführt, um ein stimmiges Gesamtbild zu erhalten. Und das ist meiner Ansicht nach gelungen. Das Buch liest sich ausgezeichnet, ist ausgewogen und liefert auch denjenigen noch neue Informationen, die sich schon näher mit WikiLeaks beschäftigt haben. Mein einziger Kritikpunkt wäre, dass bei den Quellennachweisen bei Online-Werken nicht gleich die zugehörigen Links angegeben wurden – vielleicht recherchiere ich die bei Gelegenheit mal und stelle sie zur Verfügung.
WikiLeaks und die Folgen
Bei WikiLeaks und die Folgen handelt es sich um einen Sammelband, der Einzelbeiträge verschiedener Autoren zur verschiedenen Oberthemen umfasst. So spannt sich das Buch von den Hintergründen über das Internet und die Medien bis hin zu Fragen der Diplomatie und der Demokratie und liefert recht unterschiedliche Perspektiven, die ich in Kürze nicht alle benennen kann.
Trotz der festgelegten Oberthemen wirkt der Band für mich ein wenig zusammengewürfelt, ohne roten Faden. Eine ordnende Einleitung des verantwortlichen Redakteurs gibt es leider nicht. Auch wenn ich WikiLeaks nicht gänzlich unkritisch gegenüberstehe, besonders der derzeitigen personellen Zentralisierung, sind mir stark vereinfachende Beiträge und schlicht Falschaussagen aufgefallen. So reduzieren beispielsweise die drei Aufsätze zur Diplomatie in meiner Lesart WikiLeaks auf die Veröffentlichung der diplomatischen US-Depeschen, und der ehemalige Botschafter John Kornblum behauptet, rund eine Viertelmillion davon wären publiziert worden – so viele liegen der Organisation angeblich vor, aber online zu finden sind heute gerade einmal 4532. Dass mitunter die Forderung nach Transparenz von Staaten fälschlicherweise mit der Aufhebung der Privatsphäre von Individuen gleichgesetzt wird, sei hier auch erwähnt.
Doch genug der Kritik, es finden sich bestimmt für jeden am Thema Interessierten einige spannende Einzelbeiträge, auch für mich. Nur insgesamt macht das Buch auf mich keinen runden Eindruck.
Und weiter?
Das Thema „Leaks“ und speziell WikiLeaks wird die Welt sicher noch eine Weile beschäftigen, und mindestens die Autobiographie von Julian Assange steht noch aus. Die könnte interessant werden, gilt er doch gleichzeitig als begnadeter Anekdotenerzähler und ebenso notorischer Flunkerer.