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Smartphones in der Hochschullehre? Wozu?

Am 28. September haben TeilnehmerInnen der teach4TU-Basisqualifizierung zusammen mit mir einen Ausflug in die Welt der digitalen Medien gemacht. Wir haben uns auf Wunsch mit der Frage beschäftigt, wozu man Smartphones in der Lehre einsetzen könnte. Nicht ob man das sollte, nicht wie im Detail, sondern wozu. Kein Plädoyer dafür oder dagegen, keine Reflexion, nur eine Ideensammlung. Herausgekommen ist eine Liste, die ich nun nachträglich mit einigen Gedanken unterfüttere und dann vorstelle.

Smartphones sind da! Eine Statistik für Studierende habe ich noch nicht entdeckt, aber laut Bitkom/Forsa zum Jahr 2014 besaßen 88 % der 16-18 Jährigen in Deutschland ein Smartphone. Ich wage also die These, dass fast jede/r Studierende über ein Smartphone verfügen kann, und natürlich sehe ich auch viele Studierende, die in Lehrveranstaltungen an der Uni damit hantieren.

smartphone

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten für Lehrende an Hochschulen, damit umzugehen. Sie könnten beispielsweise verbieten, Smartphones in ihren Kursen zu verwenden. Sie könnten sich dafür auf das Potenzial zur Ablenkung berufen. Einige mögen ein Verbot daher als berechtigte Fürsorge auslegen, andere hingegen als Bevormundung von Erwachsenen. Womöglich steckt dahinter auch die Furcht vor Kontrollverlust, wie sie Jöran Muuß-Merholz bei LehrerInnen in der Schule vermutet? Dinge könnten schließlich aus dem Hörsaal nach außen dringen, Studierende könnten in der virtuellen Welt da draußen sonstwas machen, und plötzlich lassen sich Aussagen der Lehrenden im Nu einem Faktencheck unterziehen. Das behagt nicht allen.

Vielleicht ignorieren Lehrende die Smartphones auch völlig: „Sollen die Studierenden doch damit machen, was sie wollen.“ Es ließe sich mit der Eigenverantwortung argumentieren, die einem Studium innewohnt. Es könnte aber durchaus sein, dass man es sich damit zu einfach macht. Zu schnell zieht man sich damit komplett aus der Verantwortung.

Eine weitere Option ist es, die Smartphones einfach in Lehrveranstaltungen zu integrieren, wenn sie sowieso da sind. Zumindest in der Schule scheint dadurch noch keine Katastrophe passiert zu sein. Die Möglichkeiten dafür dürften innerhalb und außerhalb der Präsenzzeit so vielfältig sein wie die Funktionen, die diese miniaturisierten Computerwunderdinger mit sich bringen.

Die in kürzester Zeit von uns dazu gesammelten Ideen stelle ich nun kurz vor. Es geht nicht darum, die Lehre von der Technik aus denkend zu gestalten! Sich mit Werkzeugen zu beschäftigen, kann aber den Horizont erweitern, welche Szenarien oder didaktischen Interaktionsmuster damit überhaupt erst möglich werden!

08-Smartphones-150928Die folgende Liste ist nicht nach bestimmten Kriterien sortiert oder gruppiert, und sicher ist sie unvollständig — sowohl was die Begrifflichkeiten wie auch die beispielhaft genannten Szenarien angeht. Ich freue mich, wenn ihr in den Kommentaren weitere Möglichkeiten ergänzt.

Die Liste ist auch nicht stringent, was die Bezeichnungen angeht. Ich finde es unglaublich schwierig, alles einheitlich als Werkzeug zu formulieren, weil es manche Werkzeuge in der physischen Welt schlicht nicht gibt. Ich finde es ebenfalls schwierig, alles in Form von Aufgaben zu beschreiben, die damit erledigt werden können, weil mir das selbst noch nicht ganz klar ist Ich habe aber das Gefühl, da könnte Musik drin sein! Nehmt es also bitte hin, dass es etwas durcheinander geht.

  • Audience Response
    Hinter dem Begriff, zu dem es im E-Assessment-Wiki des ELAN e. V. eine eigene Seite gibt, verbirgt sich das Sammeln von Rückmeldungen auch aus Veranstaltungen mit vielen TeilnehmerInnen, bei denen das mündlich nicht mehr möglich ist. Geschickt eingesetzt (mehr als „Wer wird Millionär“ spielen!), eignet sich dieser Ansatz dafür, das Denken anzuregen oder Diskussionen anzustoßen.
  • Dokumentenkamera
    Mit einer Dokumentenkamera ist es möglich, etwa Seiten aus Büchern auf eine Leinwand zu projizieren. Die Dinger sind aber vergleichsweise teuer, wenn man bedenkt, dass sie nur diesen einen Zweck erfüllen. Mit einer Halterung lässt sich das ebenso mit einem Smartphone erledigen.
    Es geht aber auch noch spannender! Wenn Studierende schriftliche Lösungen auf Papier erarbeiten (Rechnungen, Zeichnungen, usw.), können diese exemplarisch auch sehr einfach für alle sichtbar gemacht werden: Als Lehrender herumgehen, von einer passenden Lösung ein Foto machen, projizieren, fertig. Das macht beispielsweise Michael Gieding in Heidelberg.
  • Virtuelles Klassenzimmer
    Beim Virtuellen Klassenzimmer wird versucht, möglichst viele Möglichkeiten eines physischen Hörsaals digital nachzubilden. Man gewinnt dadurch räumliche Flexibilität; mit Smartphones sogar noch mehr als mit einem stationären Rechner. Für passende Werkzeuge wie beispielsweise Adobe Connect gibt es nämlich Software, so dass man sogar unterwegs an Veranstaltungen teilnehmen kann.
  • Frage- und Diskussionswerkzeug in großen Veranstaltungen
    Mit Chats oder Microblogs (wie Twitter) lassen sich in Veranstaltungen mit vielen TeilnehmerInnen zusätzliche Kanäle schaffen: Je nach Szenario können so beispielsweise Fragen gesammelt, von einer moderierenden Person beantwortet und dokumentiert werden. Auch Diskussionen mit anderen Personen als denen auf dem Nachbarsitz werden möglich. Alles schon da gewesen…
  • Etherpad
    Für eine kollaborative Vorlesungsmitschrift ist das Tippen auf einem Smartphone wohl zu umständlich, aber mit Etherpads lassen sich auf jeden Fall zügig Stichworte aus einem Hörsaal einsammeln.

    Ein Etherpad

  • SMS
    Mit dem Klassiker SMS ließen sich beispielsweise digital gestützte Planspiele in der Betriebswirtschaftslehre bereichern. Warum nicht ab und an eine Aufgabe versenden, die innerhalb einer kurzen Frist von den TeilnehmerInnen entschieden oder bearbeitet werden muss? Ist in der Realität von Unternehmen nicht anders, und die SMS macht bei den meisten wohl auf sich aufmerksam.
  • Texte, Videos und Podcasts konsumieren
    Muss nicht erklärt werden, oder? Geht im Zweifel alles mobil.
  • Texte, Videos und Podcasts produzieren
    Bei den Texten ist es etwas mühsam, aber mit dem Smartphone haben Studierende die Möglichkeit, Videos oder Podcasts zu produzieren. Es gibt Lehrveranstaltungen, bei denen gehört das zum Programm, denn man muss sich mit den Inhalten beschäftigen und überlegen, wie sie gut rübergebracht werden können.
  • Webseiten benutzen
    Ganz banal. Alles, was irgendwie in einem Browser daherkommt, lässt sich auch mit einem Smartphone benutzen — mal besser, mal schlechter.
  • Recherche
    Studierende können aktiv eingebunden werden, etwa indem ihnen eine Recherche-Aufgabe zugeteilt wird. So kann bei Unklaren Punkten sofort jemand im Netz nach einer Antwort suchen. Nachschlagewerke sind nur noch einen Klick weit entfernt.
  • Taschenrechner
    Das Smartphone ersetzt den Taschenrechner und schlägt ihn mit Anwendungen wie Wolfram|Alpha um Längen.
  • Tafelbild dokumentieren
    Von manchen Lehrenden wird es gehasst, wenn Studierende das an die Tafel Geschriebene oder Gezeichnete einfach fotografieren statt es abzuschreiben. Sagen wir diplomatisch: Geschmackssache. Bei einigen Methoden wie dem Aktiven Plenum ist es in jedem Fall sehr praktisch. Wenn die Ergebnisse per Foto dokumentiert werden, können alle denken statt zu schreiben und speziell dem/den Studierenden an der Tafel entgeht nichts.
  • E-Mails
    kwt
  • Präsentationen steuern
    Smartphones können die „Presenter“ ersetzen, die beim Präsentieren von Schaubildern oft zum Weiterschalten genutzt werden. Im besten Fall kann der Referent auf dem Smartphone auch das aktuelle oder das nächste Schaubild sehen, die bereits geredete Zeit, usw.
  • Augmented Reality
    Puh, wie beschreibt man das kurz? Das Wahrnehmen der Welt um uns herum lässt sich durch Informationen ergänzen. Wenn ich beispielsweise die Kamera meines Smartphones auf ein Bauwerk richte, könnte ich mit einer passenden Anwendung geschichtliche Daten dazu angezeigt bekommen — ganz wie Iron Man in seinem Anzug.

    Augmented Reality bei Iron Man

    Oder mein Auto warnt mich mit einem Piepton um so schneller, je näher ich einem anderen Objekt komme. Oder…
    Was da alles denkbar wäre! Das Smartphone ähnlich wie mit dem Google Cardboard aufsetzen, durch Rom laufen und das Colosseum so sehen, wie es einst aussah (Architektur). Oder Bauteile vor die Kamera des Smartphones halten und Daten dazu eingeblendet bekommen (Ingenieurwesen). Oder… Zugegeben, das ist technisch etwas in die Zukunft gedacht, aber warum nicht vorbereitet sein?

  • Virtual Reality
    Das Thema Virtual Reality ist nicht sooo weit weg von der Augmented Reality und mit dem Google Cardboard mit dem Telefon schon greifbar. Wer etwa mit der App VRSE schon einmal von einem Helikopter aus auf New York geschaut hat, der weiß, was ich meine. Sogar mit dem Smartphone ist das Gefühl schon beeindruckend. Welch Geschichte mag man damit wohl in der Lehre anschaulicher erzählen können als mit einem normalen Vortrag?
  • Educaching
    Zusammen mit den Lokalisierungsfunktionen eines Smartphones gibt es die spannende Möglichkeit, Bildung und Erlebnis zu verknüpfen. Man nennt es Educaching.
  • Wörterbuch/Translator
    Das Smartphone ersetzt das Wörterbuch für Studierende aus anderen Ländern. Denken wir die Technik noch etwas weiter, dann wird vielleicht sogar das Prinzip Babelfisch Realität, und man kann sich mit Smartphones das gesprochene Wort gleich automatisch übersetzen lassen.
  • Hotspot anbieten
    Mit einem Smartphone lässt sich ein WLAN-Hotspot einrichten und so Geräten ein Zugang zum Internet ermöglichen, der sonst womöglich nicht vorhanden ist.
  • Arbeitsumgebung mitbringen
    Mit der freien Software Piratebox lässt sich ein Smartphone dazu nutzen, Gruppen eine lokale digitale Umgebung zum Arbeiten bereitzustellen, quasi ein tragbarer, privater Server mit diversen Funktionen in der Tasche. Schon heute lassen sich damit beispielsweise Dateien austauschen oder streamen und Nachrichten austauschen. Die Software kann aber auch um weitere Fähigkeiten ergänzt werden.
  • Beschleunigungssensor / Eingabegerät
    Smartphones verfügen in aller Regel über Beschleunigungssensoren. Sie können beispielsweise für Experimente in der Physik verwendet werden. Es lassen sich mit den Sensoren aber auch Bewegungen des Smartphones registrieren und zur Steuerung von Dingen benutzen, so wie man es beim Spielen mit der Wii kennt.
  • Evaluation in der Präsenzzeit
    Die Evaluation der Lehre erfolgt oft in einer Präsenzveranstaltung statt hinterher, weil die Rücklaufquote dann höher ausfällt. Mit Smartphones könnten aber wenigstens die Papierbögen ersetzt werden, die oft zum Einsatz kommen und später wieder digitalisiert werden.
  • Texterkennung
    Mit Smartphones ist es möglich, Texte zu scannen und sie mit entsprechender Software gleich bearbeitbar zu machen.

Hey, TU Braunschweig, Lust auf Minecraft?

Hallo, liebe WissenschaftlerInnen an der TU Braunschweig quer durch die Disziplinen!

Eines der großen Forschungsfelder der TU ist die „Stadt der Zukunft“. Solltet ihr darin verwickelt sein, dann lest doch weiter! Unter der Schirmherrschaft des BMBF startet am 14. September der Wettbewerb „Baue deine Zukunftsstadt“. Jeder Interessierte hat bis Ende Oktober Zeit, genau das zu tun — die Stadt der Zukunft in Minecraft nachzubauen.

Habt ihr nicht Lust, eure Ideen und Theorien anderen mal virtuell vorzustellen? Auf diese Weise anderen Wissenschaft näher zu bringen? Ich habe keinen Schimmer, ob euch das für eure Forschung etwas bringt, und sei es nur gedanklich. Wenn ihr danach geht, würde euch die Sache vielleicht nur Zeit kosten. Womöglich sogar viel Zeit. Und im schlimmsten Fall befürchtet ihr, mit „Spielen“ euren Ruf zu gefährden. Mir bringt Minecraft aber auf jeden Fall eine Menge Spaß! Ich wäre dabei!

Da ich vom Thema „Stadt der Zukunft“ keine Ahnung habe, kann ich inhaltlich nicht viel beitragen, aber ich stelle gerne Serverplatz zur Verfügung, helfe beim Umgang und „Styling“ in Minecraft so gut ich kann, erstelle am Schluss das erforderliche Video, usw. Und natürlich baue ich auch gerne mit, wenn ich kann! Mitbauen heißt aber „nicht allein“…

Meldet euch doch einfach bei mir, falls ihr Lust habt. Teams mit bis zu fünf Personen können am Wettbewerb teilnehmen.

Schaubildschaden

Alle Welt glaubt, bei Vorträgen PowerPoint oder ähnliche Software nutzen zu müssen, auch sehr viele Lehrende. Die Werkzeuge sind per se erst einmal nichts Schlechtes. Ich habe aber auch bereits etwas dazu geschrieben, wie die Ergebnisse leider oft aussehen. Lehrende nutzen bei Vorträgen Schaubilder eher als Notizzettel für sich selbst oder in Form von Folienumenten als schlechten Ersatz für einen echten Text. Die Konzentration der Zuhörenden richtet sich unweigerlich an die Wand, aber nicht auf die sprechende Person. Für eine gelungene Unterstützung eines Vortrags halte ich das nicht und empfehle zu dem Thema die Lektüre der Bücher von Garr Reynolds oder Nancy Duarte. Die gehen aber auf das Thema Lehren nur am Rande ein? Das gilt doch nicht für den Hörsaal? Dann widmen wir unsere Aufmerksamkeit einfach einer Studie von Christof Wecker.

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Herr Wecker hat unter anderem untersucht, wie viele der vorgestellten Inhalte nach einem Vortrag behalten werden. Den Referenzpunkt bilden Vorträge ohne jegliche Schaubilder als Begleitung. Verglichen werden sie jeweils mit Vorträgen, die durch „übliche“ Schaubilder oder „prägnante“ Schaubilder angereichert werden. Für beide Folientypen sind in der Studie auch Beispiele abgebildet. Unter den üblichen erkennt man schnell solche, auf die man in der Regel trifft. Als prägnant wird ein Schaubild bezeichnet, auf dem wirklich nur vier Schlagworte stehen.

  • Resultat 1: Werden „übliche“ Schaubilder verwendet, bleiben die darauf verzeichneten Inhalte zwar gut haften, aber die mündlich übermittelten Informationen bleiben signifikant weniger im Gedächtnis. Mehr noch, die allgemeine Behaltensleistung bei einem Vortrag mit solchen Folien ist ebenfalls niedriger als bei einem ohne Schaubilder.
  • Resultat 2: Werden „prägnante“ Schaubilder“ eingesetzt, bleiben deren Inhalte besser im Gedächtnis als bei „üblichen“ Schaubildern. Spannend ist nun der Vergleich zum Vortrag, der ohne Schaubilder auskommt. Prägnante Präsentationen sorgen dafür, dass von den mündlich übermittelten Informationen mehr behalten wird als bei einem nackten Vortrag (und damit auch insgesamt mehr).

Lehrende tun entsprechend dieser Ergebnisse gut daran, sich entweder um prägnante Schaubilder zu bemühen oder — sollte das nicht möglich sein — lieber ganz auf Folien zu verzichten und sich auf das gesprochene Wort zu konzentrieren. Auch in diesem Fall bliebe offenbar mehr hängen als wenn man untaugliche Schaubilder an die Wand wirft. Um eine ordentliche Vorbereitung kommt man also nicht herum, will man gute Vorträge halten.

Literatur

Wecker, Christof (2012): Slide presentations as speech suppressors: When and why learners miss oral information, in: Computers & Education, 59. Jg., Nr. 2, S. 260-273. [doi:10.1016/j.compedu.2012.01.013]