Archiv der Kategorie: Allgemein

In „Allgemein“ wird alles gesammelt, was ich noch nicht zuordnen kann.

Zuschauer oder Macher? Beides!

Peter Baumgartner denkt gerade über seine Rolle in der H5P-Welt nach, und da steuere ich gerne ein paar Gedanken meinerseits nach. Völlig unfertig, weil es das nicht sein muss.

Soll man denn keine Kritik üben?

Zitat von Peter:

Zu meiner Argumentation, dass im Positions-Modus die Lösungsanzeige bei „Check“ und „Show Solution“ redundant ist, verweist Oliver auf festgelegte Rahmenbedingungen der H5P Programmierung, die diese Trennung zweier Anzeigemodi für die Einbindung in kombinierte Inhaltstypen wie Question SetCourse Presentation etc. notwendig machen. Tatsächlich habe ich diese „Auflagen“, die Inhaltstypen erfüllen müssen, nicht gekannt. Aber muss ich diese Strukturen denn wirklich kennen, wenn ich von „außen“, d.h. aus didaktischer Sicht vom Endergebnis her, meine Meinung abgebe?

Nein, die muss man nicht kennen. Aber ich habe versucht zu erklären, warum die Kritik im Rahmen einer Betrachtung von Inhaltstypen am falschen Hebel ansetzt. Ich behaupte einfach einmal, ohne bei jeden fragenartigen Inhaltstyp nachzusehen, dass die meisten ein zweistufiges Schema zum Begutachten von Antworten nutzen:

  1. Überprüfen. Hier werden in der Regel die erreichten Punkte angezeigt. Und weil es bei falschen Antworten (statt keiner Antwort) Strafpunkte geben kann und dann vielen die Bepunktung nicht klar ist, wird die Bepunktung auch gleich angezeigt. Dadurch wird, ja, etwas vom nächsten Schritt vorweg genommen.
  2. Lösung zeigen. Hier werden die richtigen Lösungen angezeigt. Das kann tatsächlich redundant zum Überprüfen sein, wo durch die Bepunktung ja zumindest auch schon verraten wird, was richtig und falsch war – wenngleich nicht unbedingt warum.

Peter kritisiert bei seiner Betrachtung einiger Inhaltstypen, dass diese Trennung oft keinen Sinn ergäbe. Warum machen die Inhaltstypen das so? Hoffentlich nicht zu technisch: Es gibt einige Bedingungen, die H5P-Inhaltstypen erfüllen müssen, damit sie ohne großes Zutun in anderen Inhaltstypen verwendet werden können, etwa innerhalb von QuestionSet. Unter anderem müssen sie eine Funktion zum Anzeigen der Lösung mitbringen. Man könnte sich nun als Entwickler dazu entscheiden, die Funktion zum „Lösung anzeigen“ zu implementieren aber einfach nichts tun zu lassen. Etwas doof. Oder man entscheidet sich dazu, beim „Überprüfen“ wirklich nur die Punkte anzugeben, aber dann ist deren Vergabe nicht klar.

Kritik an dieser Trennung aus didaktischer Sicht ist völlig berechtigt, wenngleich es sicher auch Gründe für eine solche Trennung gibt, die weder didaktischer noch technischer, sondern organisatorischer Natur sind. So oder so: Aus meiner Sicht sollte diese Kritik dann nicht auf der Ebene der Inhaltstypen stattfinden, sondern sich auf H5P allgemein beziehen, sich ggf. mit anderen zusammentun und das H5P-Kernteam adressieren.

Das kann doch jede:r!

Zitat Peter:

Dazu kommen auch andere übergeordnete Hinweise von Oliver zu meinen Vorschlägen, die zusammengefasst sinngemäß lauten: „Das kann sich jede*r auf seiner Plattform mittels H5P-Hooks, Stylesheet etc. anpassen.“ Wirklich jede*r? Ich bezweifle das.

Verallgemeinerungen sind meistens falsch. Hier auch. Das liegt aber meines Erachtens nicht daran, dass es sich bei den H5P-Hooks, plakativ gesprochen, um eine „Raketenwissenschaft“ handelt, die sich nicht jede:r erschließen könnte. Ich habe eher den Eindruck, es handelt sich hier um eine Spielart von „In Mathe war ich immer schlecht!“ Die Ausrede „Ich bin ja kein/e Informatiker:in!“ reicht, um sich in unserer Gesellschaft nicht mit so einem Thema beschäftigen zu müssen – wobei sich dann übrigens auch gleich die Informatiker:innen auf den Fuß getreten fühlen, weil sie auf das Programmieren reduziert werden. Aber ich schweife ab. Es geht! Beispiele gefällig:

Das alles heißt nicht, dass H5P-Entwickler:innen sich nun nicht mehr um eine ordentliche Gestaltung von Inhaltstypen zu kümmern hätten. Ich habe aber gerade in der Open-Source-Software-Welt kein Verständnis mehr dafür, wenn Leute gerne wünschen bis fordern, eigentlich selbst etwas in zig Formen beitragen könnten – aber im Grunde genommen bloß keine Lust dazu haben oder alle Einladungen zum Lernen mit „Ich kann das halt nicht!“ oder „Das ist nicht mein Job!“ abtun. Ist bequemer. Oder aber: „Ja, mache ich, aber es muss genau die Anleitung geben, die genau meine Spezifikation trifft und jeden meiner Spezialfälle abdeckt. Und bitte lass mich nicht suchen, lege mir diese Anleitung bitte genau vor meine Füße!“

Das ist aber auch kein Phänomen, das ich auf IT allein bezogen beobachtet habe. Nicht wortwörtlich, natürlich, aber was habe ich schon alles an den Kopf geworfen bekommen: „Grundkonzepte zum Urheberrecht? Ich bin Bildungswissenschaftlerin, darum kümmern sich andere – das muss ich nicht wissen, wenn ich andere Menschen beim Lehren berate.“, „Wikis und Blogs in der Lehre? Ich bin Hochschuldidaktiker, das muss ich nicht kennen.“ Ich kann’s einfach nicht mehr hören …

Die Welt ist heute voller Möglichkeiten, die es erlauben, sich aus einer passiven Rolle herauszubegeben und zu gestalten. Das fängt bei Netflix statt ZDF an, wo mir niemand sagt, wann ich eine Serie schauen muss. Das geht über YouTube, Blogs und was weiß ich, wo ich selbst nach außen und mit anderen kommunizieren und etwas bewegen kann. Und das spannt sich bis hin zur Demokratie, wo man auch kein unbeteiligter Zuschauer ohne jegliche Verantwortung ist! Man kann etwas tun! Man muss es aber auch wollen – und könnte einfach sagen, man habe keine Lust darauf statt Ausflüchte zu suchen. Es ist völlig legitim, auch mal Zuschauer zu sein! Nur passiert dann im Zweifel auch nichts.

Dass mich das schon eine ganze Weile umtreibt, belegt vielleicht dieser Beitrag aus meiner Hochschulzeit. Und das was schon spät. Also, ja, wahrscheinlich bin ich daher auch mal genervt und schroff. Würde mich nicht überraschen. Nehmt es mir bitte nicht ganz so krumm.

Bitte geht achtsam mit Geschenken um!

COVID-19 hält die Bildungswelt in Atem. Plötzlich wollen oder sollen viele Lehrende online unterrichten, und sie stürzen sich auf Dienste wie LearningApps, ZUMpad oder H5P.org. Die sind dem Ansturm nicht gewachsen und brechen zeitweise zusammen.

Liebe Lehrende, sicher ist es für euch toll, wenn ihr die eben genannten oder ähnliche Dienste kostenlos nutzen könnt. Bitte macht das aber nicht gedankenlos! Euch diese Angebote zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, kostet Geld! Das bezahlen für euch Vereine wie LearningApps und die Zentrale für Unterrichtsmedien oder das Unternehmen Joubel. Bitte denkt darüber einmal nach. Sie machen das in einem angemessenen Rahmen gerne (h5p.org ausdrücklich zum Ausprobieren, bevor ihr es auf einem eigenen Server betreibt), aber irgendwann können sie das nicht mehr! Und dann habt ihr euch mit eurer Gedanken- und/oder Maßlosigkeit ins eigene Knie geschossen, weil die Dienste eingestellt werden müssen. Ich hoffe inständig, dass euch das nicht egal ist.

Geht bitte achtsam mit den Geschenken an euch um!

Entscheidet selbst, wer ihr sein wollt!

tl;dr: Das bei der Hacks&Tools gezeigte H5P-Proof-of-Concept wird auch ohne Finanzierung zur Serienreife gebracht. Verbiegt euch nicht für andere bis zur Unkenntlichkeit!

Vor ein paar Tagen habe ich im Rahmen der Veranstaltung „Hacks&Tools“ bei einem Förderwettbewerb teilgenommen. Vorgestellt habe ich eine Idee für einen neuen H5P-Inhaltstyp und hatte auch ein „Proof-of-Concept“ zum Zeigen dabei. In der Kategorie, in der ich angetreten war, habe ich nicht gewonnen. Ich bin aber in der Sonderkategorie „Lerninnovation“ für eine Förderung vorgeschlagen worden. Vor der steht noch Papierkram.

Für diejenigen, die nur am H5P-Krempel interessiert sind: Der Inhaltstyp kommt, egal ob ich letztlich gefördert werde oder nicht. Ihr könnt ihn dann kostenlos haben. Die Entwicklung steht und fällt nicht mit dem Geld, auch wenn ich als Freiberufler irgendwie meine Miete bezahlen muss.

Es geht mir in diesem Blogbeitrag um etwas anderes. Um etwas Wichtigeres. Vielleicht lest ihr weiter.

Warum bin ich in der „normalen“ Kategorie durchgefallen? Es galt, einen Antrag zu schreiben. Das ist Gang und Gebe und auch bei anderen Förderungen so. In dem Antrag bin ich wissentlich nicht auf alle Kriterien eingegangen, die in der Förderrichtlinie vorgegeben waren. Diese Kriterien wurden aber von einer Jury in einer Checkliste abgehakt, und wer nicht genug Punkte bekam, war raus. Und wenn das das gewünschte Prozedere ist, ist das auch vollkommen in Ordnung für mich. Es entscheiden die Entscheider:innen, wofür und wie sie Geld ausgeben möchten.

Was ich aber nicht mache: Antragslyrik verfassen. Ich versuche nicht, krampfhaft alle gewünschten Punkte in abstrusen Formulierungen und Floskeln abzudecken – schon gar nicht, wenn mein Vorschlag sie gar nicht abdeckt. Ich versuche nicht, das Blaue vom Himmel zu versprechen, wenn ich es selbst nicht sehe. Ich versuche nicht, einer Jury etwas zu erzählen, weil ich glaube, dass sie es hören will. Und deswegen bin ich auch durch das Raster gefallen. Völlig okay.

Zusätzlich zum Antrag gab es noch den „Pitch“, in dem man sein Projekt kurz vorstellen sollte. So etwas ist ja auch bekannt. An Hochschulen kennt man dazu oft stocksteife Vorträge, anderswo auch durchchoreographierte und durchgestylte Inszenierungen. Um zu beeindrucken. Um zu verkaufen. Das ist pragmatisch wichtig (Gunter Dueck nennt es innerhalb der „Professionellen Intelligenz“ AQ), aber nicht meins. Ich habe auf der Bühne meine nerdigen Witze gemacht, kurz gezeigt, was ich als Proof-of-Concept schon entwickelt hatte und was man damit machen könnte, und am Ende habe ich sogar gesungen. Es passte zum Thema, ich fand es witzig, und vielleicht haben den Gag sogar eine Handvoll Leute im Saal verstanden und sich amüsiert. Ich hatte Lust darauf. Und da war es mit egal, was die Jury davon hält.

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Hat also trotzdem geklappt mit einer Förderung. Nicht, weil ich mich für Formulare bis zur Unkenntlichkeit verbogen hätte oder weil ich erzählt hätte, was gehört werden will. Weil in der Jury offenbar Leute saßen, die meine Idee jenseits der Checklisten für förderwillig hielten. Danke! Dafür, nicht für das Geld.

Das wäre anderswo wohl komplett in die Hose gegangen. Es dürfte nämlich eher die Ausnahme sein, dass sich ein Bewertungsgremium ernsthaft mit Projektideen oder den Menschen dahinter auseinandersetzt. Checklisten halt, formale Regeln, … Dann bekomme ich aber lieber gar keine Förderung anstatt Fassadenanträge zu schreiben und irgendeinem Gremium irgendeine Rolle vorzuspielen. Ich freue mich über Förderung, wenn jemand meine Idee für eine gute hält – nicht weil ich jemandem den Bückling mache oder den Sockel poliere, auf dem er oder sie steht. Und es kann immer noch sein, dass ich selbst noch das Handtuch werfe, falls mir der Papierkram (Projektplan, Meilensteine, ich rieche schon ein stumpfes Wasserfallmodell) oder nachträglich die Auflagen (kommt mir bitte nicht mit Förderlogos oder -sprüchen im H5P-Inhaltstyp!) zu viel werden.

Jetzt kommt bestimmt noch irgendwo ein „Man muss es sich ja leisten können!“

“What are your choices when someone puts a gun to your head?“ – „What are you talking about? You do what they say or they shoot you.“ – „WRONG. You take the gun, or you pull out a bigger one. Or, you call their bluff. Or, you do any one of a hundred and forty six other things.” (Harvey Specter, Suits)

Es darf natürlich jede:r selbst entscheiden, wie er/sie sich bei so etwas verhält. Dasselbe gilt bei Bewerbungsverfahren für einen Job, bei der Partner:innensuche, … Es mag unbequem werden, aber man hat immer eine Wahl. Entscheidet selbst, wer ihr sein wollt!