Viele Menschen beschäftigen sich in Deutschland damit, wie man das Lernen in Schulen, Universitäten und anderswo durch die sinnvolle Einbindung des Internets und elektronischer Geräte verbessern kann: Der Verein ed-on fördert Ideen, die das lebenslange Lernen mit Online-Medien unterstützen, an der RWTH Aachen erprobt man, wie man mit Microblogging Lehrveranstaltungen verbessern kann, an der TU Braunschweig möchte man am liebsten gleich den „mobile campus“ ausrufen und jeden Studenten mit einem mobilen Kommunikationsgerät ausrüsten, … Die Liste könnte ich noch deutlich verlängern. Mediennutzungskompetenz ist schlicht ein wichtiger Faktor für ein aktives Bürgerengagement in der heutigen Informationsgesellschaft, findet zumindest der Europäische Rat für Bildung, Jugend und Kultur. Zahlreiche Wissenschaftler, Fachleute aus dem Medienbereich und viele andere fordern im medienpädagogischen Manifest: „Keine Bildung ohne Medien“.
Und dann finde ich in den Nachrichten aus meinem alten Heimatstädchen folgende Meldung: „Handy-Verbot an Lessing-Realschule“ Einige Schüler fertigten offenbar Fotos und Videos von ihren Mitschülern an, auf denen diese in peinlichen Situationen zu sehen sind. Danach wurden die Resultate im Internet veröffentlicht. Konsequenz? Allen Schülern wird während des kompletten Schultags, also inklusive der Pausen, die Nutzung von Mobiltelefonen untersagt. Man überlegt gar, das Verbot auf andere elektronische Geräte wie MP3-Spieler auszuweiten.
Natürlich finde ich das Verhalten der betreffenden Schüler keinesfalls in Ordnung, sicher sind sie auch entsprechend bestraft worden. Nun aber alle Schüler unter Generalverdacht zu stellen und damit letztlich wieder einmal nur die Symptome zu bekämpfen, nicht aber die „Krankheit“, halte ich für den falschen Weg. Statt den Schülern offen klarzumachen, was sie da tun, ihre Kompetenz im Umgang mit Medien und vor allem mit anderen Menschen zu fördern, wird ein Verbot erlassen – ein einfacher Weg. Vielleicht drückt dieses Vorgehen aber auch schlicht etwas aus, nämlich Hilflosigkeit. Hilflosigkeit, weil man selbst nicht so genau weiß, was dieses neumodische Zeugs wirklich ist und nicht erkennt, welche sozialen und kulturellen Funktionen es inzwischen erfüllt und wie man es sogar zum Lernen einsetzen könnte.
Was das für mich bedeutet? Schlicht und einfach: Es gibt noch viel zu tun, packen wir’s an!
es ist echt die Frage, ob das überhaupt mit der Nutzung der Medien zu tun hat… Es ist doch eher ein soziales Problem wie das mündliche Mobbing auch. Kann man jetzt wirklich einem den Mund verbieten, wenn man ein Gerücht in die Welt setzt?
Das Mobil Telefon als Wurzel des Übels an diesem Ort zu verbieten scheint mir auch nicht der richtige Weg… es ist aber auf alle fälle das einfachste und das am einfachsten durchzusetzende Mittel.
Das Kernproblem ist dadurch aber bei weiten nicht gelöst. Ermittlung der Schuldigen und ggf. Strafen im sozialdienstlichen Bereich scheinen mir da angemessener.
@SierraX
Nein, das sozial unschöne Verhalten sehe ich nicht als Ergebnis der Mediennutzung, und die Schulleitung sicher auch nicht. Schikane in der Schule, das ist tatsächlich nichts Neues. Durch das Veröffentlichen im Internet gewinnt das Thema aber an Schärfe, dafür gibt es sogar den Begriff des „Cyber-Bullying“. Ein Problem würde ich da schon attestieren.
Mit dem Telefonverbot verdeckt man jedoch das Mobbing nur, beseitigt es aber nicht. Ein konstruktiver Umgang mit dem Problem sieht anders aus. Und es ist ja auch nicht so, dass die Schule die erste mit diesen Schwierigkeiten wäre und es keine Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch gäbe. Teachtoday beispielsweise stellt viele Informationen dazu kostenlos ins Netz, darunter auch Material für den Unterricht. Aber genau wie du es schreibst, ein Verbot ist viel einfacher umzusetzen als Lehrer zu ermutigen und dabei zu unterstützen, sich selbst fit zu machen und ihre Erfahrung weiter zu geben.
Stattdessen verschließt man sich vor der Lebenswelt der Schüler und verbaut sich lieber die Potenziale, die im Internet liegen und auch über Mobiltelefone und andere Geräte zum Lernen nutzbar gemacht werden können.
Keine Ahnung ob du Pädagoge (ich bin es nicht aber Bildungsinteressiert) bist… als größtes Problem sehe ich nicht den Unwillen oder fehlende Möglichkeiten… es ist einfach die fehlende Zeit… In Deutschland ist das Schulsystem ungesund verschoben schon fast Weltfremd… immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund bei denen sich der Lehrer schon schwer tut ihn überhaupt zu verstehen, immer mehr Schüler pro Klasse, immer mehr Eltern die nicht das Kindswohl im Sinn haben, sondern es auf gedeih und verderben auf den höchstmöglichen Bildungsweg schicken wollen. Da dadurch aber nicht mehr Gelder in die Kassen gespült werden bleibt das einstellen zusätzlicher Lehrer aus. Die Lehrer sollen einen festgeschriebenen Stoff in die Köpfe pauken, die Kinder zu guten Menschen erziehen, weil das viele Eltern versäumen, Unterrichte Vorbereiten und dann auch noch Leben damit sie nicht nach 10 Jahren ausgebrannt sind oder täglich als Zombi durch die Schulgänge wandeln.
Wir als Digital Pioneers sollten natürlich diesen Lehrern helfe um mit ihren Schülern wenigstens annähernd Schritt halten und ihnen damit auch helfen zu können. Das große ABER ist halt… wer sollte das Bezahlen… Auch der Digital Pioneer kann sich nicht von den Bits seiner Welt ernähren. Einbinden der Schüler ist eine Monster Aufgabe die eine Schule mit dem Personal gar nicht stemmen kann.
Bleibt eigentlich nur die Möglichkeit in unserer spärlichen Freizeit Konzepte und Unterrichte zu entwickeln die genau solche Themen beinhalten und versuchen den Schulen und den Schulleitern diese näher zu bringen.
So schlecht ich das Amerikanische Schulsystem auch finde, ein paar Sachen sollte man auch bei uns Einführen. Etwa Schülergerichte die neben der Verbesserung des Miteinanders auch noch den Schülern eine praktische Einsicht in den Rechtsstaat geben. Ein brauchbares Einbinden des Mobil Telefon in den täglichen Schulbetrieb kann ich mir nicht vorstellen. Das Verbot an der Realschule hat schon was für sich, zwar nicht um diesen vorgeschobenen Grund zu minimieren aber um die Konzentration auf den Schulbetrieb und das Maß der Informationen kontrollieren zu können.
Ich bin jetzt nicht der sozialste Mensch ever aber schon die Informationen die ich durch meine Kanäle erhalte sind einfach zu viel und rauben mir Zeit die mir dann an anderer Stelle fehlt. Wie sollte das jetzt bei einem Teenie sein der 1200 Follower hat und 1200 Leuten folgt? Sollte ein Schüler wirklich nach jeder Schulstunde seinen Twitter checken können? Technisch kein Problem mit den Daten Flatrates… aber für 5 Minuten Twitter sind dann 15 Minuten Unruhe in der Klasse… hast du das gelesen… dem musst du unbedingt followen der ist so cool… wenn Schüler jetzt durch so ein Verbot gezwungen sind die Informationen selbständig zu filtern könnte das ausserdem die Qualität der Informationen erhöhen.
Nein, ich bin kein Pädagoge. Dass Lehrer viel um die Ohren haben, weiß ich dennoch, da ich mit einigen befreundet bin und im letzten Jahr ein Projekt an einer Schule begleitet habe. Natürlich ist Unterstützung notwendig!
Da sehe ich aber noch keine ausreichende Begründung für „verbieten wir alles“ drin. Wenn keine Unruhe durch Mobiltelefone entsteht, dann durch Zeitschriften, Sammelkarten, mitgebrachte Knallfrösche oder Klatsch und Tratsch zur Fernsehsendung vom Vorabend. Mediennutzungskompetenz kann auch bedeuten, mal abzuschalten. Wusste schon Peter Lustig in Löwenzahn. Muss man aber vielleicht lernen. Und da finde ich, besser durch Einsicht als durch Zwang.
Das war dass was ich mit meinem Abschluss Satz meinte… wie soll man aber zu dieser Einsicht kommen wenn dieser Zwang zum Abschalten eigentlich gar nicht vorhanden ist? Es bleibt dann nur noch try and fail und das ist ein sehr langwieriger Prozess vor allem wenn mit einer Unterstützung von welcher Seite auch immer nicht zu rechnen ist. Ich möchte anhand von 2 Szenarien verdeutlichen was ich meine…
Gehen wir mal von einem ganz Tages verbot für Mobil Telefone aus…. Der Schüler geht morgens zur Schule und hört derweilen Radio oder MP3s auf seinem Mobiltelefon. Ggf kriegt er noch ein paar belanglose SMS und schreibt vielleicht noch welche… von 8-13 Uhr ist er wegen der Hausordnung Gezwungen das Mobiltelefon Auszuschalten… in der Pause ist der Schüler im Sozialen Gefüge der Schule zumindest sollte er das sein um nicht Amok zu laufen sobald er das KnowHow hat Benzin in eine Flasche zu füllen… 13 Uhr wird das Mobiltelefon wieder eingeschaltet um Musik zu hören und das Verpasste zu lesen… er sollte irgendwann auch seine Hausaufgaben machen und hat wenns ein gutes Elternhaus ist vielleicht sogar ein paar einfache Pflichten. Wenn die ganze restliche Zeit irgendwelches belangloses Zeug eintrudelt wie auf Twitter ‚Ich geh jetzt Kacken‘ oder eine EMail ‚Das ist Nachricht 99 von bester Freundin über Schauspieler X in TwilighY war ja so SÜÜÜÜÜÜSSSSIIIIIIIIII‘ wird der Schüler imho relativ schnell erkennen das er für nichts anderes mehr Zeit hat… natürlich nur mit der rechten Unterstützung.
2. Scenario…
Schüler darf weiterhin Mobiltelefon in der Schule verwenden… Schulweg wie gehabt ggf etwas weniger Infos da der Informationsaustausch ja nicht kompremiert kommen muss… der Schüler schaut in jeder Minute ohne Unterricht auf sein Mobil Telefon um es auf eingegangene Nachrichten zu überprüfen… ist ggf down wenn er keine kriegt und high wenn er unerwartete kriegt. Im besten fall findet keine Störung des Unterrichts durch die up and downs statt. In der großen Pause ist er mehr mit dem Mobiltelefon beschäftigt als mit seinen Mitschülern. Hausaufgabe und Hausarbeit dauert wesentlich länger da es ihm wie jedem Menschen schwer fällt nach einer Störung sofort wieder in die Arbeit zu finden… der Schüler bekommt gar nicht mit, das er durch diese belanglosen Informationen überfordert wird. Stress und Überforderung sorgen für Übermüdung. Auch da kommt man mit Hilfe wieder raus aber in diesem Szenario festzustellen das die Person ein Problem hat fällt wesentlich schwerer.
Ein einfaches Verbot mit diesen fadenscheinigen Gründen des neuen Mobbing Instruments einzuführen und durchzusetzen halte ich ebenfalls für einen Fehler und es gibt auch keine pauschal gute Lösung. Modellversuche müssten gemacht werden wobei eine objektive Beurteilung fast nicht möglich erscheint da sehr viel mit Subjekten gearbeitet werden… Klasse A kann man nicht mit Klasse B vergleichen… Kaspar Hauser Problematik wenn man Tests auf so einer Ebene durchführt.
Einbeziehen von Mobil Telefonen und Internet Diensten in den Unterricht… Mobil Telefon sind so unterschiedlich von Größe, Ausstattung und Funktion das man da erstmal einen Einheitlichen Stand schaffen müsste… jetzt brauchen die Geräte eine brauchbare Grösse um einen nutzen zu haben…. ich würde mal sagen das geht ab 5″ Aufwärts… es gibt sehr wenige Geräte bis jetzt die es von der Preis Leistung her schaffen könnten ein paar von Archos, HP will jetzt erst ein 5″ Phone rausbringen Apple… das IPad schon fast wieder zu groß und auf alle fälle zu teuer um 30 Schüler damit aus zu statten. OLPC ist bisher aus dem Versuchsstadium nicht raus gekommen.
Bei den jetzigen Budgets sieht es zwar so aus, das der OLPC ggf angeschafft werden kann vielleicht sogar in ausreichender Menge… Ich werfe jetzt mal den 65$ LapTop in den Raum… aber das Knowhow um die Unterrichte in dieser Richtung zu gestalten… den Lehrern die nötigen Kenntnisse zu vermitteln… die Geräte zu bedienen und kleiner Fehler selbständig zu beheben, eine Netzwerk Infrastruktur auf zu bauen, zu betreiben und zu warten… wahrscheinlich der grösste Kostenfaktor… der da ganz gerne unterschlagen wird…
Als Schulleiter der kostendeckend arbeiten muss wäre für mich der Fall auch klar… ich nehme die billigste Lösung… und um die Eltern einzulullen denken ich auch noch über kostenlose Verschärfungen nach.
Danke für den ausführlichen Kommentar! Habe leider keine Zeit, ausführlich darauf einzugehen, morgen früh geht’s zum Flughafen.
Unter Einsicht verstehe ich das Reflektieren über sinnvolle und verantwortungsbewusste Mediennutzung – und die kann man meiner Ansicht nach durchaus auch im Unterricht anstoßen, ohne die Geräte verbieten zu müssen. Wie will man andernfalls auch die Kompetenzen im Umgang damit schulen? Nur auf dem Papier? Und wie sähe das aus? Wir wollen, dass ihr den Umgang damit lernt, verbieten es aber? Die Aussagen laufen irgendwie auseinander.
Ja, das liebe Geld. Da könnte ich in der Tat nicht viel dagegen halten.
Und nochmals ja, da ist Unterstützung notwendig, das geht nicht über Nacht, da gibt es haufenweise Probleme – vor denen sollte man sich aber nicht verschließen, und so kommt mir das dort vor. Und daher mein letzter Satz im Blogbeitrag: „Es gibt noch viel zu tun, packen wir’s an!“
Eine Stadt weiter, ist man weiter: http://rss.feedsportal.com/c/717/f/9377/s/ac012b7/l/0L0Snewsclick0Bde0Cindex0Bjsp0Cmenuid0C20A480Cartid0C1230A0A323/story01.htm
achja die 2 Szenarien sind jetzt natürlich etwas überspitzt… und es gibt wahrscheinlich 100 mögliche scenarien…
Kurz:
Anders als mit Verboten, Einschränkungen, Macht und Kontrolle. Dazu zitiere ich mal Susanne Robra-Bissantz: „Kooperation ist die Einstellung…“
Das hier obendrüber von Olli gepostete Projekt geht auf einen wichtigen Punkt für erfolgreiche Kooperation ein: Empathie. Eine Fähigkeit die wir vielleicht sogar im Webdiskurs drohen zu verlieren, auf Grund fehlender Kommunikationseigenschaften, bevor viele von uns sie überhaupt erlernt haben. Denn das ist Schwierig, und setzt wahrscheinlich eine gefestigte Persönlichkeit voraus. Alles viel Arbeit, die wir (ich schließe mich da nicht unbedingt aus) scheuen manchmal zu verrichten.
Deshalb: „Packen wir es an!“
Und dann schiebe ich gleich mal meinen Aufruf nach: „Es geht auch anders!“
Herzlichst
Als Ergänzung, man schaue sich http://www.youtube.com/watch?gl=DE&v=BfP3iDL-Vyw (Beyond Medienkompetenz) an, hier speziell so ab 27:00.