In einem Tweet von Monika König fiel gestern der Begriff Breitbandbildung. Den fand ich irgendwie interessant, so dass ich einfach mal überlegen möchte, was er bedeuten könnte – ob das Ergebnis nun letztlich sinnvoll sein mag oder nicht.
Was überhaupt ist Bildung? Pragmatisch betrachtet vielleicht die Fähigkeit, flexible gedankliche Konzepte zu entwickeln, um die Welt um sich herum mit offenen Augen zu beobachten, zu erklären und sich auch in bisher unbekannten Feldern halbwegs sicher bewegen zu können, um daran als Mensch zu wachsen. Ist aber nicht von mir. Ich finde diese Deutung deshalb ganz charmant, weil sie einerseits zeigt, dass Bildung mehr ist als eine Ansammlung von Faktenwissen und andererseits die Aussage zulässt, Bildung erlange man nicht ausschließlich in der Schule, sondern auch im „richtigen Leben“. Vielleicht genügt der Ansatz noch nicht, aber damit arbeite ich erst einmal.
Den Term „Breitband“ kennt man zum Beispiel von Breitbandantibiotika, mit denen man viele verschiedene Infektionen gleichzeitig bekämpfen kann. Übertragen könnte Breitbandbildung dann heißen, dass man bereits dazu in der Lage ist, viele verschiedene Probleme zu lösen; dass man also schon eine stattliche Anzahl von geeigneten Konzepten entwickeln konnte oder ein sehr weit gefasstes, das schon viele Felder abdeckt.
Den Term „Breitband“ kennt man aber auch aus Breitband-Internetzugang, den man für gewöhnlich mit einer hohen Informationsmenge pro Zeiteinheit in Verbindung bringt. Aus diesem Blickwinkel könnte Breitbandbildung bedeuten, auch mit vielen Informationen umgehen zu können, die innerhalb eines kurzen Zeitabschnitts auf einen einströmen – die gedanklichen Konzepte würden dies ermöglichen. Die Verbindung zum Internet lässt aber auch noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit zu, nämlich dass man sich auch dort tummelt, um Bildung zu erlangen. Breitbandbildung würde dann speziell auf die Nutzung von solchen Diensten hindeuten, die einen (vergleichsweise) hohen Datendurchsatz erfordern wie der Austausch mit anderen über Videokonferenzen.
Wie gesagt, keine Ahnung, ob das in irgendeiner Weise sinnvoll ist. Wenn ihr auch gern über vielleicht unnötige Sachen nachdenkt, macht doch mit :-)
Once upon a time… als „Akademiker“ noch „Universalgelehrter“ meinte (bzw. diesen zum Leitbild hatte).
Heuer, in einer „immer komplexer werdenden Welt“ (36k Google-Hits für diese Worthülse), zielt die akademische Unterweisung auf die Produktion von „Fachexperten“ (die sinnigerweise als „Junggesellen“ (Bachelor) tituliert werden; lies: eine längerfristige / tiefergehende Bindung mit der „höheren“ Bildung – und ihren überabzählbaren Verästelungen [als konstituierendes Merkmal für „Breitband“bildung] – ist explizit nicht gewünscht?).
Ich vermute eher, dass @mons7 ausdrücken wollte, sie bewundere die große Bandbreite an kulturellen Themen, die @otacke in seinen Äußerungen abzudecken vermöge, auch schien mir eine gewisse Anerkennung für gedankliche Tiefe mitzuschwingen. Wenn man nun noch bedenkt, dass sich die Diskussionen durchaus in höheren geistigen Sphären bewegen, dann haben wir mit Breite, Tiefe und Höhe die Dimensionen eines Würfels angesprochen. Das gäbe dann Anlass für Komplimente in dieser Art: „Du bist ein kultureller MegaCubus“ :) (wahlweise auch Giga-, Tera- …).
Ich denke, dass man den „Bildungsanteil“ des Begriffs enger fassen und damit den Gesamtbegriff stärker in die nähe zur Allgemeinbildung rücken könnte.
Konkret: Wenn ich „Breitbandbildung“ ohne Erläuterung höre, dann stelle ich mir einen Menschen vor, der (trotz relativer Jugend?) sich in vielen Bereichen zurechtfindet und Anknüpfungspunkte für neue Erkenntnisse in verschiedenen Wissensgebieten hat.
Wie sieht es also im Kopf eines Breitbandgebildeten aus? Die verschiedenen Gebiete sind keine Inseln, sondern bilden ein enges Netzwerk, so dass Kentnisse aus verschiedenen Bereichen miteinander wechselwirken. Kommt es zu Widersprüchen, so muss nicht sofort eine neue Theorie erstellt werden, die Widerspruchsfrei ist, sondern es wird nur ein kleines Warnschild an der Verknüpfung angebracht, über das man sich – zu gegebener Zeit – Gedanken machen kann.
Es ist vermutlich leichter mit so einer Bildung Probleme zu lösen, aber das ist keine characteristische Eigenschaft – es geht auch mit Intelligenz. Und dass sich vielleicht mach ein Breitbandgebildeter in einer Informationsflut wohlfühlt sehe ich nicht als einen Grund zur Verallgemeinerung, sondern eher als eine Wahl des Lebensraumes, die auch hätte anders ausfallen können. Statt des Internets hätte es vielleicht auch eine gute Bibliothek getan.
Das ist ja unglaublich.
Und ja, das ist schon wieder Breitband.
Man sagt was (vielleicht auch unbedacht, aber intuitiv)…. und es wird (viel besser) weitergedacht.
Man ist nicht da… und da entsteht eine Dikussion um (endlich mal) Wesentliches.
Genau. Du bist nicht nur „Breitband“, Du bist „Giga“! Unglaublich.
@Florian
Du meinst, der Fokus liegt im akademischen Bereich heute eher in der Vermittlung von Faktenwissen? Das wäre schade.
Aber auch wenn es mehr wäre, bei der „Explosion des Wissens der Welt“ (noch so eine Worthülse) könnte man aber fragen, ob es solche Universalgelehrte überhaupt noch geben kann – oder ob sie einen Zweck hätten und überhaupt noch selbst etwas „Bewegendes“ erschaffen können. Kommt ihnen vielleicht bloß noch die Stellung eines Initiators oder Koordinators zu, weil man ständig und überall Spezialisten benötigt?
@(vils)rip
Schon klar, was Monika damit meinte. Habe ihr aber auch meine eigenen Bedenken dabei mitgeteilt, nämlich das da bei mir oft gefährliches Halbwissen oder allenfalls sympathisches Dreiviertelwissen mitschwingt.
@Sven
Deine ersten beiden Absätze treffen es ganz gut. Darum geht es ja: Konzepte parat haben, die auch in fremden Gebieten Orientierung bieten.
Und im dritten hast du Recht, denke! Die Beschreibung von Bildung, die ich von @jeanpol übernommen habe, lässt sich noch nicht klar von Intelligenz trennen. Werde mal versuchen, ihn hier ins Boot zu holen.
Und ja, der Lebensraum wäre ein selbstgewählter, aber „Breitband“ bringt man halt eher nicht mit „analogen“ Bibliotheken in Zusammenhang :-)
@Monika
Christian würde vielleicht sagen, bitte keine Lobhudelei ;-) Ob das nämlich wirklich etwas Wesentliches ist…
Ich spinne im Kopf öfter mal Sachen einfach so aus, und da sind sicher sehr oft schräge und/oder komplett nutzlose Sachen dabei. Gestern habe ich im Kopf zum Beispiel überlegt, ob man Begriffe wie Wissen und Bildung nicht einfach mengentheoretisch modellieren könnte, aufgebaut aus Mengen und Funktionen. Erster, bereits verworfener und erweiterter Gedankengang: Wissen eines Fachgebiets als Teilmenge der Menge des (potenziell) verfügbaren Wissens der Welt. Funktionen, die abgeschlossen auf dieser Teilmenge operieren und möglicherweise zu neuem Wissen führen, wäre dann was für Spezialisten. Solche, die von einer Teilmenge auf eine andere führen – und möglicherweise wieder zurück, wären dann für Generalisten, die dann aber auf einer kleineren Teilmenge der Teilmenge operieren als die Spezialisten (müsste ich mal aufmalen). Als Parameter der Funktionen bräuchte man dann aber sicherlich zusätzlich das individuelle Wissen, die Eigenschaften und die Fertigkeiten der jeweiligen Person, ihre Fähigkeit sich mit anderen auszutauschen und die Rahmenbedingungen der Umgebung; ich höre besser auf :-) Praktischer Nutzen? Sicher keiner, höchstens für die Anschauung.
Viel spannender als meine wirren Gedankengänge finde ich da solche Sachen wie die von Bastian Greshake alias @gedankenstuecke, interessiert dich vielleicht auch. Er hat einfach mal überlegt, ob sich das Auftreten von Twitter-Memen mit Fortpflanzungsstrategien erklären lässt, und er hat en passent auch gleich ein Programm gestrickt, dass dir online die Häufigkeit von bestimmten Memes im Zeitverlauf ausspuckt. Damit kann man dann wenigstens praktisch auch was anfangen: http://www.gedankenstuecke.de/archives/2396-Von-memetischen-Fortpflanzungsstrategien.html bzw. http://www.phylomemetic-tree.de/?p=26
Sehr schön finde ich auch einfach seine Arbeit zum Infinite-Monkey-Theorem auf Twitter, auch wenn das Programm derzeit nicht läuft. http://www.gedankenstuecke.de/archives/2328-Unendlich-viele-Affen-auf-Twitter.html
„Und im dritten hast du Recht, denke! Die Beschreibung von Bildung, die ich von @jeanpol übernommen habe, lässt sich noch nicht klar von Intelligenz trennen. Werde mal versuchen, ihn hier ins Boot zu holen.“
– Intelligenz ist als Begriff eher statisch. Es ist die Fähigkeit, vorhandene Schemata zum Aufbau von Wissen oder zur Lösung von Problemen einzusetzen. Aber mein Bildungsbegriff geht weit darüber hinaus: es handelt sich um eine Haltung. Man sucht aktiv nach Problemfeldern, in denen durch Problemlösung und Konzeptualisierung Wissen erzeugt und gespeichert werden kann.