Die Idee des Open Access ist nicht neu: Wissenschaftliche Literatur soll kostenfrei und öffentlich im Internet verfügbar sein. Gestützt wird diese Forderung zum einen darauf, dass öffentliche Forschung durch die Allgemeinheit finanziert werde und ihr daher auch zugänglich sein sollte. Zum anderen sollten Erkenntnisse zum Nutzen der gesamten Menschheit möglichst breit verfügbar gemacht werden. Insgesamt sei der Zugriff per Internet weitaus unkomplizierter als auf traditionellem Wege.
Open Access erfährt von Seiten vieler Wissenschaftler Zuspruch. So gehören zu den Befürwortern beispielsweise die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Andererseits gibt es ebenso viele Kritiker. Im sogenannten Heidelberger Appell wurde Open Access im März 2009 heftig angegriffen (vgl. Reuß, Roland: Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte, online verfügbar, zuletzt abgerufen am 18.09.2009). Allerdings wurden in der Streitschrift zwei grundverschiedene Dinge miteinander vermengt – zum einen das Scannen und Verbreiten von Auszügen aus beliebigen Büchern und Zeitschriften durch Google, zum anderen das Modell Open Access an sich, das sich auf den freien Zugang zu wissenschaftlichem Material beschränkt und zunächst auf noch nicht Publiziertes abzielt. In Folge entbrannte ein öffentlicher Diskurs, online wie offline, der über die Seite der Informationsplattform Open Access nachvollzogen werden kann.
Leider wird die Debatte sehr polemisch geführt, und es treten immer wieder dieselben Vorbehalte gegen Open Access auf, beispielsweise mangelnde wissenschaftliche Qualität. Dabei wird übersehen, dass Open Access nicht gleichbedeutend ist mit einem Fehlen von Peer Reviews durch qualifiziertes Personal – ebensowenig wie die Veröffentlichung in einer Zeitschrift oder einem Buch nicht per se bedeutet, dass Peer Reviews durchgeführt werden. Der Wert einer wissenschaftlichen Arbeit hängt schlicht nicht vom Medium ab, in dem es publiziert wird. Sehr kurios finde ich die aktuelle Frage von Volker Rieble, wer verantwortlich sei für eine wiederauffindbare und damit zitierfähige IP-Adresse (vgl. Rieble, Volker: Freier Zugang zu unfreien Autoren – Open Access aus juristischer Sicht, in: Forschung & Lehre, 16. Jg., Nr. 9 (2009), S. 648-651). Kurios deshalb, weil auch niemand die Anschrift einer Bibliothek angibt, wenn er auf eine Quelle verweist. Eine Antwort auf die Frage nach der Auffindbarkeit von Werken und Antworten auf weitere typische Einwände finden sich ebenfalls auf der Seite der Informationsplattform Open Access.
Ich finde es richtig, dass öffentlich finanzierte Forschung auch öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Nur wenn Wissen geteilt wird, kann es wachsen. Oder wie es Isaac Newton sagte: „If I have seen further it is only by standing on the shoulders of giants.“ Derzeit sieht es aber so aus, dass Universitäten – und damit die Steuerzahler – zunächst die Forschung und die Begutachtung bezahlen. Im Anschluss kaufen sie dann den privatwirtschaftlichen Verlagen die Ergebnisse ab, die sie ihnen zuvor kostenlos zur Verfügung gestellt haben.
Es lässt sich schlicht besser forschen, wenn freier Zugang zu allen wissenschaftlichen Informationen besteht. In einer modernen Wissensgesellschaft sollte das nichts Überraschendes oder Abwegiges sein, aber dennoch gibt es vehemente Gegner von Open Access. Einige betrachten es als radikalen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, die vom Grundgesetz garantiert wird. Dieser Schutz ist in der Tat sehr wichtig: Der Staat sollte niemandem vorschreiben dürfen, was er mit welcher Methode zu erforschen hat! Einem juristischen Laien sei aber die Frage erlaubt, ob der Bürger als Geldgeber nicht zumindest ein moralisches Recht hat, unbeschränkte Einsicht in die Ergebnisse zu erhalten.
Andere Kritiker meinen, den Autoren werde das „geistige Eigentum“ genommen. Auch bei diesem Thema begäbe ich mich bei einer Diskussion auf sehr dünnes Eis, denn der Begriff des Eigentums ist schon unter Juristen ein umstrittenes Thema. Aber: Die Urheber ihrer Werke bleiben die Verfasser in Deutschland ohnehin, streitig sind nur Verwertungsrechte. Häufig müssen Forscher diese aber gerade bei der traditionellen Publikation komplett an Verlage abtreten. Ohne Genehmigung dürften sie nicht einmal Kollegen eine Kopie eines Beitrags schicken oder diesen auf ihrer eigenen Internetseite veröffentlichen. Bei Open Access verbleiben die Rechte aber beim Autor, und er kann seine Arbeit nach eigenem Ermessen weiter verwerten. Es scheinen demnach eher die Interessen der Verlage betroffen zu sein, deren Geschäftsmodelle im Zeitalter des Internet nicht mehr funktionieren. Sie bitten nun den Gesetzgeber um rechtliche Gegenmaßnahmen, statt sich im Sinne von Schumpeter der schöpferischen Zerstörung zu bedienen und mit innovativen Ideen zu trumpfen – Apple hat mit dem Geschäftsmodell um den iTunes-Store und den iPod bewiesen, dass dies auch im Internet möglich ist. Obwohl Musik auch kostenlos heruntergeladen werden kann, erwirtschaftet das Unternehmen damit beinahe 50 Prozent seines nicht gerade geringen Umsatzes (vgl. Christensen, Clayton M.; Johnson, Mark W.; Kagermann, Henning: Wie Sie Ihr Geschäftsmodell neu erfinden, in: Harvard Business Manager, 31. Jg., Nr. 4 (2009), S. 36-49).
Würde der Staat durch weitere Schutzmaßnahmen vor modernen Medien nicht lediglich eine schwer kranke Branche künstlich am Leben erhalten? Müsste man dann nicht auch Autos verbieten, die mit Solarenergie betrieben werden? Die gefährden schließlich die Existenz der Tankstellenbetreiber (vgl. JGE: Die Angst des Roland Reuß vor Open Access, online verfügbar, zuletzt abgerufen am 17.09.2009).
Wenn nun mit Open Access vieles besser werden könnte – Forscher könnten schneller Ergebnisse verbreiten, würden ein größeres Publikum erreichen, könnten selbst auf mehr Informationen zugreifen, würden potenziell häufiger zitiert und Studenten bräuchten keinen Konkurrenzkampf mehr um knappe Literaturexemplare zu führen – warum sträuben sich viele gegen den Gedanken? Zum einen, weil Sie möglicherweise durch den oben genannten Heidelberger Appell das Gebaren von Google (das wäre ein anderes Thema) und Open Access in einen Topf geworfen haben: Einige Autoren zogen in der Tat ihre Unterschrift zurück, nachdem ihnen klar wurde, worum es eigentlich geht. Einen anderen Erklärungsansatz bietet Niels Taubert (vgl. Taubert, Niels. C.: Eine Frage der Fächerkultur? Akzeptanz, Rahmenbedingungen und Adaption von Open Access in den Disziplinen, in: Forschung & Lehre, 16. Jg., Nr. 9 (2009), S. 657-659). Er berichtet, dass die Gegner von Open Access vornehmlich Geistes- und Sozialwissenschaftler in ihren Reihen hätten, Naturwissenschaftler dem Modell aber mehrheitlich positiv gegenüberständen. Er führt dies auf den Drang nach Anerkennung zurück. Zuspruch erhielte beispielsweise in der Physik derjenige, der als erster neue Erkenntnisse veröffentlicht. In den Geistes- und Sozialwissenschaften werde Anerkennung allerdings nicht durch fachliche Würdigung erzielt, vielmehr orientiere man sich an „Symptomen“ wie dem Publikationsort oder der Länge der Publikationsliste: „Publish Or Perish„. Ein solches System fördere nicht die Mitteilung von Forschungsergebnissen, sondern das Streben nach Maximierung „symptomatischer Reputation“. Hier ist dringend ein Umdenken erforderlich.
Wenn Forscher froh sind über jede wissenschaftliche Erkenntnis, auf der sie aufbauen können, sollten sie ihr Wissen nicht auch bereitwillig der Gemeinschaft zur Verfügung stellen? Sollten Verlage nicht ihre Strategien anpassen, statt zu versuchen, den Gesetzgeber als Wegbereiter für ihre überkommenen Geschäftsmodelle einzuspannen? Und zu guter Letzt: Wenn Politiker eine Bildungsrepublik fordern, sollte es ihnen nicht daran gelegen sein, den Zugang zu Forschungsergebnissen für möglichst viele frei zugänglich zu machen? Ich denke schon.
Dem stimme ich voll und ganz zu. Schön dargestellt! Bei der aktuellen Lage in der BRD habe ich aber die Befürchtung, das gerade die Regierung Aktionen a la Google Books mit dem Konzept von Open Access in einen Topf wirft und sich dagegen positionieren könnte.
Du versteckst dich also hinter lmaa :-) Danke für das Lob. Es besteht wirklich Aufklärungsbedarf.